Samstag, 9. März 2013

Schulzeit in Wulsdorf Teil 2

Schulzeit in Wulsdorf - Teil 2

Zuerst noch ein paar Bilder, die es beim letzten Mal nicht reingeschafft haben.

 

 


































Aus "Die Zeit" 08.04.09



































Nachfolgend ein paar Überschriften aus der Nordwestdeutschen Zeitung vom 21.09.1931








 



Nun geht es weiter!


Angerissen hatte ich meine Schulzeit ja schon, heute möchte ich etwas ins Detail gehen.

Die Zeit meiner Einschulung war die eines Umbruchs, eine Zeit der Geschichte. Die schön war, wenn man das grausen vergisst.

Es war die Zeit in der die Welt den Atem anhielt. Die politischen Kämpfe erreichten ihren Höhepunkt.

Der Schulanfang blieb davon unberührt, eine Schultüte war sicher dabei. Ein Bild von mir, an das ich mich erinnere, das den obligatorischen Schulanfänger zeigt, aber leider nicht mehr vorhanden ist.
Sehr stolz war ich auf meine bunte Mütze der 1. Klasse, grün überwiegte hier, was mir gut gefiel. Leider wurde dieser Brauch bald abgeschafft.

Die Schule, Fichteschule, war benannt nach einer geschichtlichen Grösse aus einer sehr "deutsch-tümelnden" Zeit. Literatur: "Reden an die deutsche Geschichte".

Im Flur der Schule hing ein gerahmter Spruch: "....handeln sollst Du so als hinge von Dir und deinem Tun, das Schicksal ab der deutschen Dinge und die Verantwortung ist Dein."

Der Spruch zeigt den Chauvinismus der Zeit und er überstand auch die Machtübernahme 1933 und daraus folgende "Säuberungsaktionen".

Vor einigen Jahren bei einem Besuch, sah ich das der Spruch mittlerweile entfernt worden war. Hätte ich ihn nicht in meinen grauen Zellen gespeichert, könnte ich ihn der Nachwelt nicht übermitteln.

Der Lehrkörper


Da waren Fräulein Knüppel, erwähnte ich bereits, meine Klassenlehrerin und ein Lehrer für Kunst, Musik und Sport.

Zu Beginn meiner Schulzeit waren alle unsere Lehrkräfte in dem Alter, dass ihre Ausbildung und Prägung während der Kaiserzeit stattgefunden hat. Selbst eine knapp 40jährige war um 1890 geboren. Diese Leute waren bürgerlich und mit kaiserlich-preussischer Disziplin aufgewachsen. Man denke an den Hauptmann von Köpenick, die Uniform war alles.
Der Standardsatz meines Grossvaters, wenn er jemanden kennen lernte: "Haben Sie gedient und wo haben Sie gestanden?"
Diese Menschen haben den Bruch ihres Lebens, ein Sattler (Ebert) löst den Kaiser ab, nie verwunden. Gemeint ist hier 1918 der Umbruch von der Kaiserzeit zur Republik. Die chaotischen 20er Jahre waren auch nicht die Zeit um die Demokratie zu würdigen.
Ein den Zeitgeist wiedergebendes Lied: "Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben."
Das Wunschdenken war noch lange im Volk erhalten.

Dazu die Legendenbildung: Die Dolchstoss-Legende - im Felde unbesiegt.

Das was in Kürze, 1933, auf uns zukam, konnte keiner ahnen.

Meine Grosseltern gehörten, im Gegensatz zu vielen Eltern der Mitschüler, wie die Lehrer zum Kreis der Kaisertreuen. Dadurch war ich auch privat mit Fräulein Knüppel bekannt.

Sie war ein herzensguter Mensch. Ihre Güte reichte aber nicht soweit, jemanden von der Strafe zu befreien, wenn er ungenügende Leistungen zeigte. Obligatorisch wurde man in der Pause zu Lehrer Grootjohann geschickt, um die "verdienten" Stockschläge zu kassieren. Das war noch die preussische Erziehung. Mädchen, wir waren eine gemischte Klasse, brauchten nicht zu Lehrer Grootjohann.
Die Prügel haben nach meiner Kenntnis keine Leistungssteigerung hervorgebracht. Während meine ganzen Volksschulzeit blieb aber auch niemand bei Fräulein Knüppel sitzen.
Ich wurde bald zum Klassensprecher, führte das Klassenbuch und wurde mit meinen Leistungen zum Klassenprimus, dieses erzeugte nicht unbedingt Sympathie der restlichen Schüler für mich. Selbst schätzte ich meine Leistungen nicht so hoch ein. Gut war ich aber für Hilfe bei den Hausaufgaben der Mitschüler.

Ein weiterer Lehrer, Kunst, Musik und Sport, war ein Unikum.

Den Sportunterricht, der nachmittags in der in etlicher Entfernung liegenden Turnhalle der "Altwulsdorfer Schule" statt fand, hielt er in seinen "Alttagsklamotten", ähnlich einem Gehrock, ab. Die Noten wurden nach der Anzahl der absolvierten Klimmzüge erteilt. Meine Klimmzüge reichten kaum aus für eine gute Zensur, wurden aber aufgewertet durch den Freischwimmer, den ich hatte und mein Fussballspielen im Verein.

Während des Musikunterrichts spielte er manchmal Geige, dass aber eher selten. Er las uns lieber etwas vor. Dafür musste der Priem (Kautabak) entsorgt werden. Hierzu diente der Schwitzwasserauffang unter der Fensterbank. Die Finger säuberte er sich an den langen weissen Vorhängen am Fenster. Zum Vorlesen hatte er Talent, uns gefiel es.

Die Klasse hatte er aufgeteilt in "Brummer" und "Nichtbrummer". Dementsprechend wurden durch Vorsingen die Zensuren vergeben. Ich gehörte zu den "Brummern". Viele nutzten es aus, sie brummten einfach, um nicht mitsingen müssen.

Fräulein Knüppel musste Kenntnis haben von seinem unorthodoxen Unterricht. Nach seinem Musikunterricht gab sie uns immer Zusatzstunden. Sie verteilte kleine Notenhefte und wir lernten zuerst einen Notenschlüssel zu zeichnen. Gar nicht so einfach. Wir aber bekamen das erste Wissen, dass es so etwas wie Noten gab. Ich sehe heute noch meinen Musiklehrer vor mir, wenn er mit seinem hölzernen Geigenkasten auf den Pulten herum schlug, um Ruhe herzustellen. Er hat sich an mir als späterer Musikliebhaber versündigt.

Als Lehrer im Kunstunterricht hat er nie bewiesen wie weit sein Talent reichte. Es war ein ewiges Ritual, er stürmte in die Klasse, knallte seinen verbeulten Hut auf sein Pult und gab kurz und knapp die Anweisung: "Malt meinen Hut."

Später erfuhr ich, dass ein verbeulter alter Hut mit all seinen Lichtern und Schatten wirklich eine Herausforderung ist. Auch hier gab es von Fräulein Knüppel Zusatzstunden. Sie fragte dann jedes Mal: "Was habt ihr denn gemalt?" Wir warteten schon auf diese Frage und brüllten unisono los: "Den Hut!" Dann durften wir unsere Malsachen auspacken zwecks "Nachhilfe". Wie weit das zu Lasten ihres Lehrplans ging bereitete uns damals keine Kopfschmerzen.

Später nutzte ich die Volkshochschule Bremerhaven um Schüler meiner hochverehrten Heimatmaler Bemmer und Simoleit zu werden. Es hängen noch Werke von ihnen an meinen Wänden, ebenso auch Werke von mir, wo mein Talent nicht mehr als durchschimmert.

Nachfolgend meine Klassenliste.



























Die Schwierigkeiten liegen nicht im Neuen, sondern darin das Alte zu überwinden.

Bis zum nächsten Mal
Heinz

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