Mittwoch, 31. Juli 2013

Die legendäre Bremen

Ein Traumschiff


Es gab eine Schwierigkeit, mein Seefahrtsbuch war noch in Italien. Ich hatte dort ja nicht abgeheuert. Wer nicht abgeheuert hat, kann auch nicht wieder anheuern. Alles klärte sich auf. Ich bekam ein neues Seefahrtsbuch, ohne das man nicht zur See fahren kann. Es wurde in allen Ländern als Pass anerkannt.

Die Bremen hatte schon den "blauen Peter" aus dem Flaggenalphabet gesetzt. Die Bedeutung: "Das Schiff läuft in Kürze aus."



































Was für ein Kontrast zum Dampfer "Der Deutsche", jetzt "Die Bremen", eines der modernsten Schiffe auf den Weltmeeren, Inhaber des blauen Bandes für schnellste Überquerung des Atlantiks und später "Die legendäre Bremen".

Zuerst einmal wollte ich mit Maria in Italien telefonieren. Wo war die Telefonnummer, die Adresse, die sie mir gegeben hatte. Trotz intensiver Suche fand ich sie nicht. Dann fiel mir ein, sie war in meinem Seefahrtsbuch und das war ja noch in Italien.
Maria, Italien, "Sag zum Abschied leise Servus". Das haben wir nie gemacht. Zwar haben wir uns verabschiedet als es von Venedig wieder in Richtung Genua ging, aber wir waren ja sicher, dass ich in vier Wochen wieder in Venedig bin.
Ich musste mich damit abfinden, dass ich in der Kürze der Zeit keinen Weg fand um Kontakt mit Maria aufzunehmen.
Ich habe Maria nie wiedergesehen und weiß auch nicht was aus ihr geworden ist. Nach dem Krieg gab es ein Lied, was mich erinnerte: "A chapter in my life called Mary". Aber auch da war keine Gelegenheit zur Suche. Auch jetzt trotz intensiver Recherche im Internet habe ich keine Hinweise gefunden.

Letzte Erinnerung an Italien, ich auf "Der Deutsche"



































Die "Freilagerjuden" saßen, wie immer beim Auslaufen eines Schiffes, in der Messe und warteten auf Aufträge. Es sind gar keine Juden, es sind Händler, Schiffsausrüster und waren, weil zollfrei, preiswert. Man kaufte vor Ausreise das Nötigste, Seife, Zahnpasta und es gab nichts, was es bei Ihnen nicht gab. Zahltag war bei der Heimkehr. Ich musste erst einmal die Schulden von der Italienreise löhnen.

Beim Auslaufen eines Schiffes herrschte Hochbetrieb, Lieferanten aller Art drängelten sich. Als letztes kam der Blumenhändler, in diesem Fall Siedenburg, denn die Blumen mussten ganz frisch sein.

Noch einer der da rumwuselte, das konnte nur der Bootsmann sein. "Du bist der Neue? Zwölf-bis Vier-Wache, die dritte Bude." Buden waren unsere Kammern mit den Kojen, auch Betten genannt. Nur der Kapitän hatte keine Bude sondern eine Kammer. Verwirrend, dass eine Dame einmal gesagt haben soll: "Ich war noch beim Kapitän in der Koje." Aber auch das soll vorgekommen sein.


Die Zwölf-bis-Vier-Wache gefiel mir, auch Hundewache, englisch Dog-Watch, genannt. Denn tagsüber nach dem Mittagessen pflegten sich die Passagiere in den Deckstühlen zu erholen. Es herrschte dann Ruhe im Schiff und nachts sowieso und wir konnten uns erholen, wenn man Deckwaschen jede Nacht als Erholung ansehen will.

In meiner Bude waren noch zwei Kojen zur Auswahl frei, ein Ober- und eine Unterkoje. Beide in Längsrichtung des Schiffes. Besser als Kojen quer zum Schiff, die haben beim Rollen in der Dünung den Nachteil, dass man einmal in der Koje steht und dann wieder Kopfstand macht.

Jetzt war nur zu entscheiden oben oder unten. Wie ist denn die jeweilige Rollennummer? An jeder Koje ist ein Kärtchen, das dem Inhaber anzeigt was bei Gefahr seine Aufgabe ist und wo seine Station ist, und das wird durch diese Rollennummer angezeigt. Eine der beiden war Feuerlöscher, auf die meine Wahl fiel, war doch bereits Brandbekämpfung mein Lieblingsfach bei der Ausbildung auf der Nawitka.
Zuerst einmal los und sehen wie der Weg zu meiner Station ist.

Die Passagiere waren schon an Bord und versuchten mit suchenden Augen, so wie ich, sich zurecht zu finden. Hauptziel war immer, wie komme ich in diesem Labyrinth zurecht. Es war für mich nicht leicht, die Fragen von Passagieren zu beantworten. Zu sagen, auch ich bin hier fremd, wäre wohl befremdend gewesen.



Montag, 29. Juli 2013

Ciao, ciao Bella Italia

Letzte Erlebnisse in Italien


In Venedig erlebte ich immer schöne Stunden mit Maria und ihrer Familie. Wer konnte mir besser Venedig und dessen Geschichte erklären. Sie hatte viele Bekannte und Verwandte in den herrlichen alten Gemäuern.
An Bord schwieg ich, man hätte mir das nicht abgenommen.
Es war eine echte tiefe Freundschaft. In der Zeit lernte ich viel über die italienische Lebensweise, über die Kultur. Ich hörte hier in Italien mehr über Goethe, als in meiner ganzen Schulzeit.
Das Stadthaus mit Büro war ebenso wie das Gut ein offenes Haus, voller Gäste.
Ich hörte einmal von der Hausfrau: "Ein Gast am Tisch ist Gott!"

Es waren immer viele Deutsche anwesend. Eine andere Art von Deutschen, nicht die hitlerischen Deutschen, die ich im "Verein der Auslandsdeutschen" kennenlernte.
Den Hausherren, den Namen habe ich nie zur Kenntnis genommen, wurde mit "Conte" auch mit "Advocato" und manchmal mit "Condottiere" angesprochen. Diese Wörter hatte ich dann im Wörterbuch nachgeschlagen: Conte heißt Graf, Advocato Jurist und ein Condottiere ist irgend etwas militärisches.

Mittags gab es nicht das für mich gewohnte Essen. Man musste sich an die vielen Obstschalen halten. Wein vom eigenen Gut stand immer bereit. Auch die Kinder tranken schon in geringen Mengen davon. Essen, und das sehr üppig, gab es nur abends und zog sich über Stunden hin.
Ich habe vieles gegessen, was ich nicht kannte.

Die Hausherrin am Klavier mit Begleitung von wechselnden Instrumenten. Fremde Lieder, aber auch welche, die ich von Großmutter, die in einem Chor, sang kannte.

Großmutter mit Sängerorden, auf den sie sehr stolz war.



































"Kein schöner Land", "Im grünen Wiesengrund" und vieles mehr. Ich hörte auch das ewige Lied, das auf dem Ausflugsdampfer nach Capri gespielt wurde, wenn er unser Schiffe passierte.

Gut das mir keine Fragen nach meinen Liedern gestellt wurden. Aus einem Instinkt heraus schwieg ich. Wie hätte man wohl meine von der Hitlerjugend geprägten Lieder beurteilt. Zum Beispiel: "... heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!" (später erfuhr ich, im Original heißt es eigentlich heute hört
uns Deutschland...)

In dieser illustren Runde hatte ich noch oft die Gelegenheit zum Schweigen, aber auch zum Fragen stellen.
Maria sagte einmal: "Frag nicht zu viel!"

Die gewohnten Rundreisen um den Stiefel waren ohne Höhepunkte, außer Venedig, zur Routine geworden.
Die Döntjes waren abends in der Messe beim Bier beliebte Unterhaltung. Oft wiederholt, immer etwas ausgeschmückt, dadurch immer wieder neu.
Anderes ließ schon nach Monaten fern der Heimat auf einen Tropenkoller, auf einen italienischen schließen.
Behauptung: "Du kannst kein rohes Ei aus dem Bullauge werfen!" Protest, Debatten. Das musste bewiesen werden. Eier auf kurze Distanz durch das Bullauge werfen? Ein Schlauer: "Das Bullauge muss aber offen sein!" "Na klar!".
Donnerstags, Seemannssonntag, gab es Frühstückseier nach Wunsch. Gebraten oder gekocht. Die Küche wunderte sich, diesmal waren rohe Eier gefragt.
Tatsächlich, bis auf ein zwei Zufallstreffer kein Ei außenbords. Wir, nicht am Wettbewerb Beteiligten, grinsten und genossen unsere Eier, gebraten oder gekocht.
Erst viel später erfuhr ich dann die Auflösung. Es liegt an der Physik, es ist ein Naturgesetz. In rohen Eiern schwabbelt es und vermasselt damit das Geradeausfliegen.

In Neapel lag wieder einmal eine Einladung zum Fußballspiel vor. Wir gegen Napoli. Um gegen den Trott anzukämpfen, kam man auch auf die Idee einen Boxclub zu gründen. Genannt Heros II, nach dem Bremerhavener Boxclub Heros. Ich hatte kein Talent, aber einen verstauchten Daumen, der mich noch jahrelang an Heros II erinnerte, weil er jedes mal, wenn ich mit ihm irgendwo anstieß, noch weh tat.

Nach dem Fußballspiel besuchten wir mit unseren italienischen Sportsfreunden ein Art Jahrmarkt. Mit Buden, Karussell und mehr. Wir erlebten eine Schlägerei, waren aber nicht beteiligt. Sirenengeheul, Polizei dann war der Platz wie leer gefegt. Auch unsrer italienischen Freunde waren nicht mehr zu sehen. Die Verblüffung der Polizei, dass wir nicht die Flucht ergriffen hatten, war ersichtlich, aber wie wir später erfuhren nicht verwunderlich. In Italien fragte die Polizei nicht nach Schuld oder Unschuld, alle am Tatort bekamen Prügel. Wir hatten Glück, das wir als Tedesci, als Deutsche erkannt wurden, die mit den Fluchtgewohnheiten in Italien nicht vertraut waren.
Über diese Begebenheit schmunzelte Marias Vater und meinte: "In Italien wird aber keiner totgeschlagen." Eine der vielen dunklen Anspielungen und Erlebnisse, die mir erst später zu Erkenntnis kamen.

Maria und ich fuhren manchmal auch mit dem Auto zum Landgut. Der Fahrer, welche Aufgabe hatte er neben seiner Aufgabe als Fahrer? War er Personenschutz für Maria? War er Anstandswauwau? Ich weiß es nicht. Eine halbe Sunde Fahrt, die mir eine andere schöne Seite von Italien zeigte.

Das große Anwesen beherbergte eine Rinderzucht mit gepflegten Tieren und Weinbergen. Es gab viel Personal, dass auffallend schweigsam und sehr zurückhaltend war. Bei späteren Besuchen kam man sich näher und ich merkte, dass ein großer Teil Deutsche waren. Sie sprachen kaum italienisch. Was waren das für Menschen? Ich habe es nie erfahren, mir später aber viele Gedanken gemacht. Möchte darüber aber nicht spekulieren. Es soll dem Leser überlassen werden, unter Berücksichtigung der Umstände der damaligen Zeit, seine Schlüsse zu ziehen. Vielleicht finde ich ja noch eine Antwort.

Mir wurden viele Fragen gestellt, mehr als ich beantworten konnte. Wir waren im Frühjahr 1939. Auf Fragen nach den Bränden von Synagogen konnte ich keine Antwort geben. Wir selbst waren im Herbst 1938 bereits in Italien und ich hatte von der, später Reichskristallnacht genannten, Aktion nichts mit bekommen.
Irgendwie musste der Vater von Maria Erkundigen über mich eingezogen haben, er wusste einiges von mir. Er sprach mit mir, es war im Frühjahr 1939 über einen kommenden Krieg. Ob ich nicht in Italien bleiben möchte? Alles verwirrend, alles unverständlich, keiner von uns dachte an Krieg. Später habe ich oft an das Gespräch denken müssen und mir einiges ausgemalt.
Meine Italienreise sollte sowieso in Kürze abrupt enden. Ich sah Venedig und Maria nie wieder.

Schon vor Genua machte mir mein Hals Kummer. Die alte Kinderkrankheit, die Mandelentzündung kehrte zurück. In Genua bekam ich die Zähne schon nicht mehr auseinander. Mit dem mir bekannten roten Saft wurde gespült und gegurgelt. Der Bordarzt: "Die müssen mal raus:" Das war immer so, nur wenn die Schmerzen abgeklungen waren, dachte ich nicht mehr daran.
Entscheidung vom Arzt und von wem noch? Ich bekam die Heimreise nach Bremerhaven mit einem der Züge, mit denen die Passagiere zurück fuhren, verordnet.
Das lag wohl an der Devisenknappheit, im Ausland zahlte die Seekasse nicht. Die Kosten gingen zu Lasten der Reederei. Jedenfalls ging es mit Arztbericht auf Heimreise. Verpflegung braucht ich in meinem Zustand nicht, aber 20.- RM gab man mir für alle Fälle mit. Nicht geschenkt, man zog sie mir später wieder ab. Mir wurde aufgetragen nach Basel, im deutschen Vaterland, wenn möglich das nächste Krankenhaus aufzusuchen.
Mir ging es saumäßig. Noch vor Basel wurde mir übel, schaffte es gerade noch zur Toilette, spuckte und merkte, dass da etwas geplatzt war. In Basel war ich schon wieder ziemlich obenauf, stank jedoch fürchterlich aus dem Hals.
Zurück nach Italien? Ich weiß nicht warum, aber ich landete in Bremerhaven. Der Vertrauensarzt der Seeberufsgenossenschaft meinte auch: "Die Dinger müssen mal raus!", schrieb mich aber seetauglich und meine Mandeln waren vergessen. Die Heuerstelle in der Schleusenstrasse entschied, dass eine Rückkehr nach Italien nur unnötige Kosten verursachen würde.

An der Columbuskaje lag bereits mein nächstes Schiff. Die Bremen!


Noch was für die Ahnenforscher






































Donnerstag, 25. Juli 2013

Maria, Maria, Maria

Mein Treffen mit Maria


Die Rückreise mit der Eisenbahn in das Land wo die Zitronen blühen hatte nichts Berauschendes. Die Erinnerung an das Weihnachtsfest und den Urlaub verblaßte.
Ich freute mich auf ein und träumte vom Wiedersehen mit meiner neuen Freundin Maria, auch auf ihre Familie, in der ich liebevolle Aufnahme gefunden hatte. Wie hatten sie wohl das Fest verlebt?
In den Gedanken mit den Geräuschen des Zuges erlebte ich nochmals das Kennenlernen mit meinem "Engel" Maria.

Zu kleine Schuhe spielten Amor. Zum eleganten Konfirmandenanzug hatte ich von meinem Patenonkel ein paar Schuhe, schöne Schuhe, bekommen.
Sie hatten nur einen Fehler, sie waren eine Nummer zu klein. Nun war es nicht die Zeit und auch das Geld war nicht vorhanden, um einfach in einen Schuhladen zugehen und neue Schuhe zu kaufen. Man war bescheiden und ließ sich nichts anmerken. Damit war jeder Landgang eine Qual. Wann immer möglich befreite ich mich von der Last. Unterm Tisch fiel das nicht auf. Beim Rückmarsch zum Schiff lief ich, zum Beispiel in Bremerhaven von der Schleusen- oder Keilstraße auf dem Deich in Socken bis zur Columbuskaje.
In Venedig war ich dann finanziell in der Lage mir ein Paar passende Schuhe zu zulegen. Vor dem Laden studierte ich lange die Auslagen und Preise. Drinnen dann eine freundliche Bedienung, sie kein deutsch, ich wenig italienisch.
Man versuchte Maß an meinen alten Tretern zu nehmen. Mein Prostest "Grande, grande" wurde nicht zur Kenntnis genommen. Verzweiflung! Da nahte Hilfe in deutsch. Maria mit italienisch, aber auch perfektem deutsch löste das Problem. Sie verklickerte der noch immer Kopf schüttelnden Verkäuferin, dass ich größere Schuhe wollte.
Es war lustig, wir hatten viel Spaß, von Liebe auf den ersten Blick wusste ich noch nichts. Der Schuhkauf war erledigt. Die alten Quälgeister ließ ich hinter mir, sie waren noch gut erhalten, für einen Italiener auf kleinem Fuß dürften sie noch gute Dienste geleistet haben.
Als Dankeschön eine Einladung zu einem Eis: "Gelato?Gelata?" um mein italienisch anzubringen.

Maria war wohl etwas älter als ich und himmlisch schön. Die Zeit verging im Fluge. Dann musste sie fort.
Maria hatte mir erzählt, dass ihre Mutter eine Deutsche wäre und sich freuen würde, mich kennenzulernen. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, gleiche Zeit, gleicher Ort. Sie meinte, dass ich aber bitte nicht böse sein solle, wenn sie nicht kommen könnte.

Ich hatte Sorgen, ob ich nach dem finanziellen Aderlass, Schuhe und Gelato, noch genug Lire für das Boot zurück zum Schiff hatte.
Mit Laufen ist es in Venedig nicht getan, obwohl mit den passenden Schuhen wäre es gegangen. Auf unserem Globus gibt es mehr Wasser als Erde und ein großer Anteil befand sich nun mal in Venedig.

Bei der Rückfahrt dachte ich: "Morgen muss ich mir ein paar Lire pumpen, von wem?"

Am nächsten Tag, war ich nicht voll bei der Arbeit, was aber nötig gewesen wäre. Seemännische Theorie stand auf dem Stundenplan, terrestrische Navigation. Kursdreieck, Peilungen und immer wieder der Kompass. Nord zum Osten, einmal rum zurück zum Westen, und das obwohl wir nur mit dem Kreiselkompass nach den 360° steuerten.
Viel blieb nicht hängen. Musste mir ja auch noch die Lire pumpen, was nicht so einfach war, aber doch klappte.

Am Treffpunkt wartete ich nicht lange. Sie kam, noch schöner als gestern. Die Überraschung, am Bootssteg ein Privatboot mit Bootsmann. Nach kurzer Fahrt zum Festland kamen wir zu einem herrlichen Anwesen. Freundlich wurde ich von Marias Mutter empfangen.
Das Haus war voll von fröhlichen Leuten. Viele deutsche Laute. Eine lange Tafel, das Essen zog sich hin bis tief in die Nacht. Ich war überwältig, aber mir war auch mulmig zumute. Mussten wir Jungs doch bis 22 Uhr an Bord zurück sein.
Was tun? Maria sagte: "Kein Problem, das Boot bringt dich zum Schiff zurück."
"Bis Morgen", sagte der Bootsmann am Ende der Fahrt, auch er sprach deutsch. Trotzdem war ich zu spät auf dem Schiff. Die Gangwaywache, ein Quartermaster guckte schief.

Am nächsten Tag mußte ich zu unserem Bootsmann. Er sagte: "Sollst zum Zweiten kommen."
Bammel, aber mein Bericht gefiel dem zweiten Offizier. Denn ich bekam ab da Ausgang bis 24 Uhr.

Jedes mal, wenn wir in Venedig waren, kam der Bootsmann war immer mit dem kleine Boot und holte mich ab. Er wurde mir ein väterlicher Freund.
Sonst gab es für den Rest meiner Italienzeit, bis auf einen Ausflug nach Rom mit Maria, keine großen Erlebnisse mehr.

Rom war groß, laut, aber interessant. Eindruck macht die Ruine des Colosseums. Einfach Kolossal.

Jahre später hatte ich noch einmal eine Erinnerung an Rom. Das amerikanische Invasionsheer hatte von Sizilien kommend Rom erreicht. Ein General, ich glaube es war der berühmte General Patton, soll beim Anblick der über zweitausend Jahre alten Ruinen des Colosseums gesagt haben:
"Our Boys did a good job!"

 Neapel


Souvenir aus Neapel 1920er Jahre
Hafen mit Leuchtturm aus Ricordo di Napoli


Aus dem Archiv

Die große Kirche in Bremerhaven, drei Ansichten




1895 aus Bremerhaven früher & heute von 1969





1949 aus Nordsee-Zeitung Spezial "Kriegsende"von 2005

1969 aus Bremerhaven früher & heute


Nochmals Archiv, aber trotzdem aktuell

Ein Rundschreiben vom 14.03.98, sehr aktuell 22.09.06 

jetzt und wieder aktuell









Sonntag, 21. Juli 2013

Letzte Friedensweihnacht.

 


Mit der Reichsbahn auf Kurs Nord. Sie sprengte alle Regeln und Vorschriften. Wir hielten an Bedarfshaltestellen. Kisten mit Wein und Körbe mit Früchten wurden ausgeladen, die Kumpels wurden mit großem Hallo verabschiedet. Letzter Stopp vor Bremerhaven Ritterhude, dann Heimatluft.

Weihnachten 1938 war, was zu dem Zeitpunkt keiner ahnte, die letzte Friedensweihnacht. Und für uns auch die letzte Weihnacht mit der gesamten Familie.
Nach den Festtagen, die etwas Abwechslung gebracht hatten, wurde Bremerhaven für mich langweilig. Die Freunde von früher waren für mich, als bereits "gestandenem" Seemann, noch Kinder. Wir waren uns fremd geworden.
Ich fühlte mich bereits als gereifter, weitgereister Mann und nicht mehr als der Jüngling der früheren Jahre.
Herbert ein Fischdampfermatrose, ein paar Jahre älter als ich, hatte etwas, was ich nicht hatte: "Geld", denn "Kommt der Seemann aus dem Mittelmeer, hat er keine Mittel mehr."
Wir fuhren mit dem Taxi ins Nachtleben. Am Theaterplatz "Rote Mühle", in der Fährstrasse "Clou" und in der Bürger "Scala".

In Bremerhaven, Entschuldigung Wesermünde hieß es ja, war was los.
Die strengen Kontrollen, auch von der Hitler-Jugend-Streife, ob jugendliche Nachtbummler unterwegs waren, gingen immer an mir vorüber. Erstens sah ich älter aus und zweitens war ich elegant gekleidet. Behütet mit einem Homburger oder dem echten Borsalino aus Italien und den neuen italienischen Schuhe, sowie meiner Größe, mit 14 war ich schon 1,76, was groß war damals, ging ich immer als erwachsen durch.

Silvester noch im trauten Familienkreis, die Eltern waren wieder aus Kiel rüber gekommen. Vater war bei der 7. U-Boot Flottille gelandet.

Für mich wurde es Zeit wieder festen Boden, das heißt Decksplanken unter die Füße zu bekommen.

Selbst an den Wesermünder Heimatduft, speziell von Wilhelms Fischmehlfabrik, hatte ich mich schon wieder gewöhnt. Wenn ich seinerzeit einmal länger abwesend war, am Bahnhof ankam, Luft holte, wusste ich Heimat. Nach ein paar Tagen hatte die Nase sich daran gewöhnt. Es war der Duft, der Arbeit. Der Fischereihafen und der Norddeutsche Lloyd waren die größten Arbeitgeber.
Die Menschen in Wesermünde empfanden, was da von Fischmehlfabriken ausdünstete, nicht als Gestank, es war Arbeit, es war Leben. Bei Westwind, der meist wehte, lag eine Dunstglocke über der Stadt. Man wusste, dass ein wertvoller Rohstoff des täglichen Lebens produziert wurde. Herstellung von Margarine, aber auch als Rohstoff für Lippenstifte. Es hielt mich allerdings nicht vom Küssen ab.

Aktuell

20.07.1944 Tag des Widerstands

Wie gestern 2013 ein herrlicher Sommertag. Mich "Bösen" hatten die Nazis ins Lager verfrachtet. Abends ertönte das Klingelsignal mit dem Schlüssel des Nachtwächters am Gitter. Der Saalälteste ging und kam zurück: "Es wurde ein Attentat auf Adolf Hitler verübt, aber er hat überlebt." Die Enttäuschung war grenzenlos.

20.07.1984


wie gestern ein herrlicher Sommertag. Wir saßen unter dem alten Apfelbaum. An dem Tag des Widerstands kam auch mein persönlicher Tag des Widerstands, ich rauchte meine letzte Zigarette.

Vor einiger Zeit wurde in einer Dokumentation über das Attentat auf Hitler berichtet. Die 10 cm dicke Eichenplatte des Tisches hatte die Wirkung der Bombe abgeschwächt und war somit Hitlers Rettung. Mit einem Tisch von Ikea hätten allein die Imbusschrauben ihre Wirkung getan.

Samstag, 13. Juli 2013

Noch immer Bella Italia

Dieses und Jenes

 

Ein Erlebnis in Palermo

Ich sollte einem Kollegen helfen, den guten Freilagertabak -Blackstar- in holländischer Güte, am Körper versteckt an Land bringen.
Wir beide gingen, den Tabak unter der Jacke verstaut, an Land. Nach einigen hundert Metern, noch an der Pier, kommt uns einer vom Zoll entgegen. Mein Herz, sprichwörtlich in der Hose, Angst machte sich breit, ich wollte zurück. "Bleib!" Sagte meine Kumpel. "Auf den warten wir doch!"
Ich hatte kein Unrechtsbewusstsein, aber in Zukunft weniger Respekt vor der Obrigkeit.

Wieder in Venedig


Als wir wieder einmal Venedig ansteuerten wurde ein hoher Besuch gemeldet. Robert Ley, der Chef persönlich wollte mal nach dem Rechten sehen. Schwerarbeit für die Deckscrew. Es hieß erneut: "Pönen mit allen Pinseln".
Seewasser soll gesund sein, ein Schiff jedoch leidet. Rost, Algen, auch Pocken, Seepocken, die aber nicht ansteckend, jedoch schwer loszuwerden sind. Mit welcher Seite gehen wir an die Pier? Steuerbord! Die ganze Pinselaktion nur an der Steuerbordseite. All Hands on deck. Farbe Außenbords!
Läßt man beim englischen "paint" das t weg kommt man zu "pain" auf deutsch: Schmerz. Den hatte der Bootsmann mit unserem alten Kahn, den er so kurz vor Venedig zumindest an einer Seite, der Land zugewandten, auf Hochglanz bringen lassen mußte.

Der Kabelgattsteward, der aber kein Steward ist, sondern ein Matrose, hatte alle Hände voll zu tun. Er, der das Kabelgatt unter sich hatte, musste für den Nachschub an Farbe und sonstiges Gedöns für die Verschönerung sorgen.
Ich merke an: Ein Kabelgatt ist das, was man an Land ein Lager nennen würde. Neben dieser Funktion hatte er noch eine besondere Aufgabe. Er war an Bord das, was man an Land einen "politischen Kreisleiter" nennen würde. Für diesen Zweck hatte er eine schöne braune Uniform, die er bei besonderen Anlässen gegen seine Matrosenkluft eintauschte. Was immer ein Anlass war, sich zu besaufen. Anders kannten wir ihn nicht.
Beim Besuch von Robert Ley musste er sowieso den Saufkumpanen spielen. Öfters ging er auch uniformgeschmückt an Land. Er besuchte dann seine Kollegen von der  italienischen Fakultät, die Faschisten. Öfter auch den "Verein der Auslandsdeutschen" die seltsamerweise die größten Bewunderer von Adolf Hitler waren. Ein Spruch unter Seeleuten: "Gott schütze uns vor Sturm und Wind und allen Deutschen, die im Ausland sind."
Wir nahmen unseren Kabelgattsteward in seiner braunen Eigenschaft nicht ernst. Man hatte aber ein gesundes Misstrauen. In seiner Gegenwart wurde das Schweigen immer lauter. Ich begriff das alles erst viel später.

Jedenfalls strahlte unser alter Kahn, wenn auch nur einseitig, dem hohen Besuch entgegen.

Ein Bootsmann flucht immer, meistens unbegründet. Diesmal zurecht.
Hatten doch die da oben, die gottähnlichen auf der Brücke sich jetzt entschlossen, anstatt mit der Steuerbordseite, mit der Backbordseite anzulegen. Unsere schön aufgefrischte Steuerbordseite sah Robert Ley nun gar nicht.

Mit Robert Ley an Bord, kam immer Hektik auf. Alles zum Zahlmeisterbüro. Lange Schlange mit Fragezeichen. Gibt es von Robert Biermarken, oder vielleicht einen Orden für tapfere "Kraft-durch-Freude- Fahrer". Nichts dergleichen. Mit einer Unterschrift wurden wir Mitglieder der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront". Ein Mitgliedsbuch mit einem Zahnrad, wohl ein Zeichen für Arbeit, gab es dazu, aber keine Biermarken. Jetzt konnte Robert Ley wohl Vollzug an den Führer melden: "Die Mannschaft vom KDF Schiff "Der Deutsche" trat geschlossen der Arbeitsfront bei." Folgen hatte das keine. Es geriet in Vergessenheit. Sogar bei der Entnazifizierung durch die Engländer 1945 in Hamburg habe ich nicht daran gedacht, dass zu erwähnen. Auch das hatte keine Folgen.

Die Hälfte der Wintersaison mit "Kraft durch Freude" in Italien 1938/39 lag hinter uns. Das Weihnachtsfest 1938 nahte. Der billige Chianti in den Korbflaschen gehörte der Vergangenheit an. Die meisten kehrten zum Urgetränk der Deutschen, dem Bier zurück, es sei denn, man kannte die besseren Weine. Ich denke an den "La Crima Christi", den Wein von den Hängen des Vesuvs. Oder die feinen Liköre. Bananen, Apfelsinen und so weiter. Hier waren die Italiener Weltmeister. Beliebt war der Absinth mit dem Wermutzweig in der Flasche.
Hans G. einer von uns Jungs, ein Tiroler, sammelte die leeren Flaschen, um an den verzuckerten Wermutzweig zu kommen. Süßes Gift, er war voll Alkohol. Hans wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren. Wir sahen ihn nie wieder. Er fühlte sich in seiner Heimat, den Bergen in Tirol wohl besser aufgehoben, als bei der christlichen Seefahrt.

Bei den Heizern in der Maschine gab es, wie bei uns an Deck, die Heizerjungs. Sie begannen ihre Laufbahn zum Heizer, zum Oberheizer als Kohlenzieher. Ihre Aufgabe: Kohlen aus den Bunkern mit Schiebkarren schnell zum Heizraum, zu den Heizern zu bringen. Eine elende Plackerei, besonders in den Tropen. Bei diesen Jungen gab es einen blonden, einen semmelblonden, wenn der aus dem Heizraum kam, sah man nicht viel davon. Aber an Land gab es immer einen kleinen Aufruhr. Die italienische Weiblichkeit war verrückt danach seine Haare zu streicheln. Vielfach nur die alten, dicken Mammis. Es hieß aber: "Er hat Schlag bei den Weibern!" Hoffentlich auch bei den Jüngeren. Dieses Erlebnis beschränkte sich im Wesentlichen auf Süditalien.
Im Norden gab es ebenfalls etliche Blonde, auch Rothaarige Italiener. Sie sind, wie wir in der Schule lernten, ein Überbleibsel der Goten, der nordischen Rasse der Germanen.

Das Grab in Busento:
                                                       "...ziehen die Schatten
                                                        Tapferer Goten
                                                        Die den Alerich beweinen
                                                        Ihres Volkes besten Toten..."

Das war die Weisheit meiner Schulzeit.
                                                     
                                                        Völker sterben,
                                                        Sippen sterben.
                                                        Du selbst stirbst wie sie.
                                                        Nur eins bleibt ewig
                                                        Der Toten Taten Ruhm.

Die "Edda" war die Bibel der neuen Zeit.

Von "Goethe", der auch ein Italienreisender war, erfuhr ich erst hier in Italien von einer italienischen Familie. Ich hatte inzwischen eine Freundin und damit Familienanschluss. Dazu später mehr.

Die seemännische Ausbildung ging schon über ins Pauken. Kompass, auch schon mal durch den Sechstanten gucken, ein ewiger Spruch für angehende Kapitäne: Der kürzeste Weg auf der Erde (und natürlich auch auf dem Wasser) ist der Bogen, des durch ihn gelegten Kreises.
Nichts mit Geradeausfahren und auch nichts mit Bergauffahrt oder Abwärtsfahrt bei Kurs Süd oder Nord.

Das obligatorische Bootsmanöver, das am ersten Tag nach Auslaufen, mit allen Passagieren stattfand, war auch zur Routine verkommen. Ich drückte mich, wenn möglich, um das "Vergnügen", dem Volk beim Anlegen der Schwimmwesten behilflich zu sein. Manche hatten noch immer, besonders bei den weiblichen Passagieren ihre Freude daran. Das für den Ernstfall hoffentlich niemals zu erlebende Ereignis, war für die Passagiere immer eine Gaudi. Vom Reiseleiter über Lautsprecher mit anfeuernden Rufen wurde jedes Mal ein neuer Schnelligkeitsrekord aufgestellt. Man konnte es schon nicht mehr hören.

Weihnachtsurlaub stand vor der Tür. Von Venedig, mit Sonderzug der Reichsbahn Richtung Heimat, Endstation Bremerhaven. Bis auf eine Stallwache sollte die ganze Mannschaft auf die Reise. Ich hätte gerne auf die Heimfahrt verzichtet und mit jemandem getauscht, auf den zu Hause eine Familie wartete. Die Familie meiner Freundin lud mich nämlich ein, zu Weihnachten ihr Gast zu sein.
Ich bin davon überzeugt, dass ich jemandem damit eine Freude bereitet hätte. Nur es gab einen nicht erklärlicher Zwang durch die Obrigkeit. Es wurde gehorcht und das nicht nur von uns Jugendlichen.
Ich wagte es nicht, meine Bitte zum Bleiben vorzutragen. Es war eine Zeit der Disziplin, oft auch falscher.
In der Familie meiner Freundin erlebte ich eine andere Welt.

Abfahrt des Weihnachtszuges von Venedig. Vom Zoll unkontrolliert ein wahrer Schmugglerzug. Körbe mit Apfelsinen, zentnerweise, Kisten mit Wein und vieles Mehr füllten jede freie Ecke. Ein süßer Duft von Apfelsinen wehte durch die Reichsbahn. Die  Schaffner meinten: Den Duft kriegen wir nie mehr raus, es wird der "Italienexpress" bleiben. Apfelsinen und manche Flasche Wein war ein extra für das Bahnpersonal. Apfelsinen mit Blättern dran, so wurden sie in Italien geerntet, war etwas Neues, kannte man zu Hause nicht und war ein Zeichen, dass Apfelsinen auf Bäumen wachsen. In den Abteilen stieg die Fröhlichkeit mit der Anzahl der leeren  Flaschen.

Auffällig in den Abteilen waren die Hüte. Standard, wie genormt, die italienischen so preiswerten Borsolino-Hüte. Es war die Zeit, man ging nicht ohne Hut. Nach der Strohhutzeit folgten die vornehmen "Homburger" oder man trug "Landschaftsmalerhüte" á la Herrmann Löns, dem Heidedichter. Auch die amerikanischen á la Humphrey Bogart traf man in Bremerhaven an. Man erkannte nach Jahren noch die italienischen KDF Fahrer an ihren Hüten. Wenn nicht der Stahlhelm die neue Mode wurde.

Über den Brenner, auf dieser Seiter hieß er noch Brennero, ging es in den nordischen südlichen Winter. War es nun schon ein deutscher oder ein österreichischer Winter? Die Meinungen im Abteil gingen durcheinander. Hieß doch Österreich jetzt "Ostmark" und ist so deutsch wie unser Führer Adolf Hitler. Es ist seine Heimat. Gebetsmühle in der Schule: Adolf Hitler, 20. April 1889 zu Braunau am Inn. "Eine Meinung: Braunau soll der Schlüssel der braunen Uniformen sein.
Der Name "Schicklgruber" fiel. Mit dem konnte ich nichts anfangen. Darüber war im Schulunterricht nichts gelehrt worden.. Jedenfalls hieß es: "Heil Hitler" und nicht "Heil Schicklgruber". Für mich war in diesem Land Österreich oder Ostmark im Gegensatz zu Bremerhaven nichts deutsches zu entdecken.

Innsbruck, der Zwischenstopp fürs Mittagessen im Gasthaus "Brennnoisl", deutsch Brennnessel. Aus Innsbruck ist nicht viel nennenswertes zu berichten. Die hohen Berge und im Tal ein Lokal mit einem seltsamen Namen und wunderlichen Kartoffeln, die nichts mit dem zu tun hatten, was ich als Kartoffel kannte. Es geht nichts über eine Kartoffel aus norddeutschem Boden.


Venedig von Egbert Patzig




Aktuell aus dem Archiv




Donnerstag, 11. Juli 2013

Bella Italia Venedig

1. Ankunft in Venedig


Voraus kam ein überwältigendes Panorama in Sicht. Die Insel in der Lagune, darunter Murano, die Glasbläserinsel. Lido, der schönste Strand der Welt. Alles wurde auf späteren Reisen besucht.


Ich hatte hier ein Aha-Erlebnis. Ein bekanntes Lied hatte ich bisher so verstanden: "Wenn ich wüsst', wer mich geküsst um Mitternacht am Friedhof...", hier kam mir dann die Eingebung: "....um Mitternacht am Lido."
Wer kannte in Deutschland schon den Lido. Italien eine Bildungsreise.

Bevor die Passagiere nach vierzehn Tagen Seefahrt um den Stiefel per Bahn Richtung Heimat fuhren, wurde noch das reichhaltige Besuchsprogramm Venedig absolviert. Ein ganz wichtiger Punkt: Tauben füttern auf dem Markusplatz.

Braungebrannt kamen die Volksgenossen aus dem sonnigen Italien ins winterliche Germanien zurück und kündeten von den Wohltaten des Dritten Reiches, dass allerdings nur noch sechs Jahre Restlaufzeit hatte.
Endlich Ruhe im Schiff. "Daddeldu", der Ruf des Bootsmann für Feierabend, klingt nach Ringelnatz, der sich auch Kuddel Daddeldu nannte. Wieder aus dem Englischen: That will done, soviel wie das ist erledigt.

Ringelnatz, bürgerlich Bötticher, war auch, wie ich, einmal Moses die der christlichen Seefahrt. Im ersten großen Orlog, 1914/18 wurde er Leutnant der kaiserlichen Marine und stolzer Kommandant eines Schleppers bei den Minensuchern in Cuxhaven.

Für uns Decksbesatzung war jetzt, im Gegensatz zur Seewache, Tageswache angesagt. Auf See war es ein Dreiwachensystem, 4 Stunden Wache acht Stunden frei. Es sei denn es hieß: "All Hands on deck." Zum Beispiel bei einem Einlaufen in einen Hafen.
Die vier Stunden der Wache waren in acht Glasen eingeteilt. In alter Zeit gab es Sanduhren mit einer Halbstunden Einteilung. Jede halbe Stunde mußte sie gedreht werden und dieses mit einem Schlag der Schiffsglocke angezeigt werden. Vier Stunden bedeutete: acht Schläge, Ende der Wache, Daddeldu.
Die Tageswachen waren beliebt, man konnte nachts durchschlafen oder das Nachtleben von Venedig genießen.

Nicht so einfach. In Venedig gibt es keine Straßen, wie oft habe ich mich verlaufen. Fragen war nicht so leicht, man fand wenig Italiener, dafür nur Touristen aus aller Welt.
Traf man dann auf einen Einheimischen, fragten wir: "Porto" für Hafen und "Grande vapore de dopolo tedesca", so klang es wenigstens. "Großer Dampfer des deutschen Volkes", was genau darunter verstanden wurde ging unter in babylonischer Sprachverwirrung, aber es half den Weg zurück zu finden.

Brücken, Kanäle , Inselchen. In Hamburg gibt es Fleete, in Amsterdam Grachten, damit hört aber jeder Vergleich mit Venedig auf.

Das Transportmittel, Gondeln für wirklich alles was sich transportieren läßt. Von der Hochzeitsgesellschaft, über den Gemüsehändler bis zum Tod oder sonstiger Entsorgung. Am Heck vom Schiff lag eine Gondel für den täglichen Abfall. Durch einen Schlauch aus Segeltuch mit einem Durchmesser von ca. 1 Meter, endete jeglicher Abfall, der an Bord anfiel, in der Gondel.
Einige Italiener mit Booten versuchten noch Brauchbares in der Abfallgondel zu finden, Zigarettenkippen oder es wurde ein Keks im Lagunenwasser abgespült und an Ort und Stelle verzehrt.

Für uns Seeleute, die unsere kostbare Zeit des Landgangs voll nutzen wollten, waren die Gondeln zu langsam. Wir nahmen die "Vaporetto espresso", die kleinen schnellen Motorboote oder Fähren.

Wenn ich von meiner Hafengerüchesammlung berichten soll, dann dass Venedig stinkt. Viele tote Katzen schwimmen jetzt mit ihren Feinden der Lebenszeit, den Ratten und Tauben, friedlich gemeinsam in den Kanälen. Trotzdem, es nimmt nichts von dem Charme Venedigs, an allem nagte der Zahn der Zeit, dekadent vermodert. Wenn es anders wäre, wäre es nicht Venedig.

Wir, die unter 18jährigen hatten Landgang bis 22 Uhr. Bis dahin mussten alle kleinen und großen Sünden erledigt werden.

Wie konnte man sich in Venedig durch Gassen und über Brücken herrlich verlaufen. Wenn es heißt, das alle Wege nach Rom führen, dann führen in Venedig alles Gassen zum Markusplatz, dem Platz der Touristen und Tauben. Für letztere die beste Nahrungsquelle. Taubenfutter, man kaufte es an Ort und Stelle von unzähligen Händlern, streuten sich die Touristen auf die Köpfe, was für ein Schnappschuss für die Daheimgebliebenen. So gab es nicht nur bekloppte, behämmerte, sondern auch bepickte Köpfe. Die Tauben hatten es von Generationen ererbt und gaben es an die nächste weiter.

Die Ereignisse der großen Welt fanden hier nicht statt, Deutsche Zeitungen gab es nicht oder falls wir lasen keine. Radio gab es nur in der Messe und dort nur Musik oder Reden des Führers. "Der Führer spricht!", ab in die Messe, ich schlief oft ein.

In Venedig legte ich den Grundstein für meine Briefmarkensammlung. In der Post: "Francobolli sortimento", einiges italienisches Sprachgut hatte ich schon drauf. Gemischte Briefmarken wollte ich und es wurde verstanden. Lustig, die Postboten liefen in Uniformen herum, wie Generäle in einer Operette.

Das waren die Eindrücke von meiner ersten Italienumrundung.

Fließende Gedanken

zur Jahrhundertflut

Bereits 2002, als das Jahrhundert gerade zwei Jahre alt war, hatten wir schon die Jahrhundertflut. Jetzt elf Jahre später haben wir wieder die Jahrhundertflut, weil noch gewaltiger als 2002. Wasser, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Mühlen der Klimafuzzis. Schäden wachsen ins "Uferlose".
In alter Zeit ließ man dem Wasser noch mehr Auslauf, heute will jeder am Wasser bauen oder die Flächen nutzen.
Auch Bremerhaven hatte 1962 seine Jahrhundertflut. Es war kein Regen, keine Schneeschmelze, es war der "Blanke Hans", der mit einem Nord-West-Sturm gegen die Deiche drückte. Nichts Neues, hatten wir schon öfters. Auf einem alten Gedenkstein in Wursten sind die Ofer einer Flut verewigt: 17 Bauern, 20 Stück Vieh und ein Geestkerl.

1962 schlief ich bei Freunden in Wesernähe. Der Sturm heulte ums Haus und war nachts zwei Uhr plötzlich vorbei. In der Zeitung stand am nächsten Tag: Glücklicherweise für Bremerhaven drehte nachts der Sturm auf östliche Richtung und traf damit auf Schleswig Holstein.
Ansonsten wäre es für Bremerhaven schlimmer ausgegangen. Ich hatte den Katastrophensturm verschlafen. Morgens sahen wir die Bescherung, Deichbrüche und der Deich war übersät mit allerlei Gedöns. Auch die Jagdhütte meiner Freunde, deren Platz bisher auf einer vorgelagerten Insel in der Weser stand, lag ziemlich unbeschädigt auf der Deichkrone. Es geht eben nichts über Qualität, selbst das Kaffeegeschirr hatte es überstanden. Bremerhaven kam glimpflich davon.
Die US-Army war mit schwerem Gerät da und das Wichtigste, Bremerhaven war durch ein kürzlich errichtetes Sperrwerk gesichert.

Dieses Sperrwerk war gegen alle Wiederstände von dem in der SPD Hochburg Bremerhaven regierenden Bürgermeister Hermann Gullasch verwirklicht worden. Dieser Bürgermeister war ein SPD Mann, der jedoch nicht von der SPD, sondern von der CDU und der restlichen Opposition, zum Bürgermeister gewählt worden war.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44416077.html

Es hieß dann auch hinter vorgehaltener Hand Hermann hat Bremerhaven gerettet.
Der Witz in dieser Sache: Bis heute erinnert kein Platz, kein Straßenname in Bremerhaven an Hermann Gullasch. Kürzlich suchte man mit Bürgerbeteiligung einen Namen für ein Areal in Stadt.
Meine Empfehlung mit einem Leserbrief an die örtliche Zeitung:"Hermann-Gullasch-Platz" und das geplante Lokal könnte sich Gullasch Kanone nennen.
Mein Leserbrief wurde nicht veröffentlicht und es gab auch keine Rückmeldung zu meinem Namensvorschlag. Auf meine Rückfrage bei der Zeitung hieß es, das ist nicht von allgemeinem Interesse.
Bremerhaven ist noch immer SPD Hochburg und so wird der "Retter" wohl noch ewig auf eine Würdigung warten müssen.
Anmerkung nebenbei nur vom Hörensagen bekannt:
Der Weg zur Schiffdorfer Stauschleuse wird seit langem im Volksmund "Gullasch-Schinkenbrot-Straße" genannt. Weil Hermann Gullasch angeblich dort gerne in die Restauration zum Schinkenbrot essen ging, und diesen ehemaligen Feldweg auch mit Kopfsteinpflaster versehen ließ.

Hier noch ein Link:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41120832.html