Mittwoch, 28. Mai 2014

New York-Bremerhaven-New York = mehr Routine

Das Gegenstück zur Tageswache 12-4, war die Nachtwache 0-4.
Einmal drei Stunden dann vier Stunden, wir mussten die sechs fehlenden Stunden Greenwichzeit zur New Yorker Zeit ausgleichen. Das wurde über die gesamte Fahrzeit stundenweise verteilt.
Wer hatte von uns Jungs schon eine Uhr? Wir merkten diese Zeitverschiebung gar nicht.

Bernie und ich schafften in der verkürzten Wache kaum unsere zu verrichtenden Aufgaben. Auch in der Nachtwache, immer der gleiche Ablauf. Zwei Matrosen mit zwei Feuerwehrschläuchen ausgerüstet, mussten die Decks mit viel Druck sauber spritzen. Dazu kamen noch zwei Mann als Hilfsschlauchhalter. Zum Scheuern gab es Sand und den Piassavabesen, alles musste rucki-zucki gehen.
Bei Sand, kam immer meine Erinnerung an das Sandschleppen auf der "Potsdam", meinem ersten Schiff auf dem Weg zum Kapitän.
Im Wasserstrahl leuchtende Algen, ein Wunder der Natur.

Wir Jungs wurden auf Trab gehalten. Wenn die Länge der Schläuche seemännisch Darm genannt endeten, dann "hurry up" zum nächtsen Hydranten. Ein dreihundert Meter Schiff hat die entsprechenden Decks und davon mehrere. Schnelligkeit war alles.

Aus "Die Bremen kehrt heim" Hanns Tschira




Dank Herrn Storz, der die Storz-Kupplung erfand, ging der Schlauchwechsel fix von der Hand. Später auf englischen Schiffen, auf denen ich fuhr, waren die Kupplungen noch mit zeitraubendem Schraubgewinde ausgerüstet.

Uns gehörte das ganze Schiff, abgesehen von der Plackerei ein herrliches Erlebnis.
Ein einsames Schiff rauschte durch die Nacht über den Atlantik. Bei Nieselwetter, genannt "Schmutt" (Alter Seglerspruch: "Westenwind un Schmutt, bringt den Seemann an de Kutt!"), die vom Seewasser geschwängerte Natur. Man atmete Salz und Jod.
Leider rief die Pflicht, es fehlte die Zeit. Waren die Decks geschrubbt, war eigentlich daddeldu, Feierabend. Dann kam unsere Spezialaufgabe, auf dem Promenadendeck musste noch "entsalzt" werden.

So vergingen die Tage gleichmäßig mit den Routinearbeiten der 12-4 genauso wie der 0-4 Wache vom Ausgang Englischer Kanal bis zu den Neufundlandbänken und zurück.

Die Passagiere hatten außer Bremerhaven und New York auch noch die Zu- oder Ausstiegs-möglichkeiten in Southhampton und Cherbourg.
In Southhampton brachte sie ein Tender als Zubringerschiff ans Schiff. Der Tender hatte den schönen Namen "Greetings" ex "Grüß Gott". Dieses "kleine Bötchen" ist nach dem 1. Weltkrieg eine Reparationszahlung an Großbritannien gewesen.
In Cherbourg legten wir am Kai an.

Dieser Kai ist erwähnenswert, weil ein schneidiger Kapitän, auch das gab es beim Lloyd, vor meiner Zeit mal ein halbes Dutzend Hafenkräne außer Betrieb setzte. Mit der Brückennock nahm er beim Ablegen diese Kräne "mit". Die Nock ist eine Art Balkon an der Kommandobrücke, um den Blick nach achtern und vorn frei zu haben, aber nicht um Kräne abzurasieren.
Passiert war es, weil es wie immer um Zeit ging, Schnelligkeit und Pünktlichkeit waren das Wichtigste.
Auch wenn mal ein paar Kräne im Weg waren und auch bei jeder Wetterlage, wie der nächste geschilderte Vorfall, auch vor meiner Zeit, zeigt.
Langsame Fahrt gab es nicht, so fand ein Kaventsmann, ein riesige Welle Ihren Weg zum Wintergarten, unter der Kommandobrücke gelegen. Die Fenster zerbarsten, Palmen und Inventar spülten auf das Deck. Da reichten dann wohl nicht Schlauch, Sand und Besen um Ordnung zu schaffen.
Nicht einmal ein Streik der New Yorker Schlepper und Hafenarbeiter konnte den Lloyd aufhalten. Es war eine seemännische Glanzleistung die Bremen ohne Hilfe an die Pier zu bringen. Sogar die New Yorker Zeitungen berichteten darüber. Einziger Kommentar des Kapitäns: "Der Lloyd ist pünktlich!"

Den Blick hatte man beim Einlaufen in New York:

Aus "Die Bremen kehrt heim" Hanns Tschira

























Montag, 19. Mai 2014

Bremerhaven - New York - Bremerhaven = Routine

Wer glaubt, dass das Meer für den Seemann die größte Gefahr ist, der irrt. Es ist die Werftliegezeit. Überall irgendwelche Löcher, Geländer fehlen, Schweißflammen (bloß nicht reingucken) und Kabel ohne Ende.
Nicht nur auf dem Boden, auch aus Wänden und Decken bedrohen sie den Seemann, der nur raten kann, ob in den Strippen Strom ist oder nicht.

Auch wenn wir schon an der Columbuskaje lagen wurde noch an jeder Ecke gewerkelt. Auf dem Weg durch den Kanal wurden noch die letzten Strippen versteckt und die letzten Nägel eingeschlagen, bevor dann in Cherbourg endgültig die letzten Werftarbeiter von Bord gingen.

Wieder hatte ich 12-4 Wache. Hier war ich ja schon routiniert. Nur war das zu putzende Messing auf der Bremen noch mehr, es wurde auch wie gehabt gepinselt. Dieses blieb auch alle weiteren Fahrten so.

Gut dass ich so trainiert war, der Bootsmann kontrollierte nämlich scharf, ob das Ebenholz etwas Poliermittel abbekommen hatte. Warum mussten bloß alle Türgriffe aus Messing sein. Dann hatte er auch ein Auge darauf, ob noch Passagiere auf Deck lagen.
Der Norddeutsche Lloyd achtete nämlich darauf, dass diese weder von Poliermittel, Farbgeruch oder arbeitendem Personal gestört wurden.
Dieses Problem erledigte sich mit dem Abendbrothunger meist von selbst. Oft wurde gehofft, dass sich der Magen, der letzten im Deckstuhl schlafenden Dame meldete. Banales Wecken war beim NdL verpöhnt. Bei Nebel half oft die Dampfpfeife nach, aber es war ja nicht immer Nebel.
Manchmal kam der Kommentar vom Bootsmann: "Die geht nicht zum Essen, die ist fett genug:"
Damit wir überhaupt arbeiten konnten sondierte der Bootsmann ständig die Decks nach passagierfreien Zonen, dort wurden dann schnell die letzten Pinselstriche oder Polierarbeiten erledigt.
Gepinselt wurde nur aus kosmetischen Zwecken und für die Visiten diverser Offiziere. Nicht Einsehbares wurde vernachlässigt und rostete bis zur nächsten Werftüberholung so vor sich hin.

Viel seemännische Ausbildung stand in der Zeit nicht auf dem Programm.

Immer wenn Passagiere das Deck anders bezeichneten, wie z.B. Balkon oder Terrasse, tauchte die Geschichte von dem Überfall eines Matrosen auf eine hochgestellte amerikanische Lady auf.
Die sich wie folgt zutrug: Die Lady betrat das Bootsdeck und rief ihrem Begleiter zu: "Ich gehe über Bord!" Das wussten ein paar starke Seemannsarme augenblicklich zu verhindern.
Die Lady war mehr erstaunt, als erbost. Nur ein Missverständnis, alles klärte sich auf, es gab keine diplomatischen Verwicklungen.
Für den "Retter" wurde von der Lady ein Flasche Whiskey beim Zahlmeister deponiert. Ablieferung aber erst in Bremerhaven.
Lloydschiffe waren für die Mannschaften alkoholfreie Zone. Wobei Bier nicht zum Alkohol zählte.
Es gab eine mannschaftseigene Bar, an der mit zugeteilten Biermarken gezahlt wurde. Für uns Jungs gab es rote und grüne Brause.

Aktuell

Am 6. April war ich, eingeladen vom Heimatverein Dieburg, zu der Herausgabe des Jahresbuches gereist. Der Grund dafür war, ein Beitrag von mir zum Gefängnis in Dieburg, in dem ich von
1943 - 1945 inhaftiert war, damals war es das Lager Rodgau. Zu gegebener Zeit kommt der genaue Bericht dazu.

 

Und alles wiederholt sich:


 
 
 
 
Quelle: https://www.fuchsbriefe.de/
 
 

Ahnen

Auf Grund des Feedbacks hier noch ein bisschen Ahnenforschung.
 

 







 Hier kommt jetzt meine Linie dazu:


 
Hier noch etwas zum Ahnenschwund, extrem theoretisch, deswegen unbedingt den Link am Ende beachten. Eine wirklich launige Erklärung:
 




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 


Freitag, 2. Mai 2014

Vorort von New York und eine Adresse in Hoboken

Langsam landfein gemacht, morgen geht die Bremen ins Dock. Waschen, schneiden und föhnen, d.h. Muscheln und Rost entfernen und "pönen". Für mich gab es vom Bootsmann keine Einteilung.
Meine ersten freien Tage nach langer Zeit, ich werde sie genießen.

Von Bord durch die Schleusenstraße, rechts in die Kaiserstraße an der nächsten Ecke ein Eiscafe. Zwei Häuser davor saßen in der Kneipe "Halt einen nehmen wir noch" etliche Kollegen. Ich genehmigte mir einen riesigen Eisbecher. Hatte in Gedenken an die früheren 5-Pfennig-Portionen einen riesigen Nachholbedarf. Schön wieder zu Hause zu sein.

Es roch nach Fischereihafen, es gab viel zu erzählen, gut geschlafen, gut gefrühstückt. Meine ehemaligen Freunde saßen in der Schule. Aus der Ferne hörte ich schon mal die Schulklingel. Alles war soweit weg, doch es stellte sich auch etwas Wehmut ein.

Vor der nächsten Fahrt bekam ich, bei einem Treffen mit meinem ehemaligen Schulfreund Adolf Heitmann, einen "Auftrag". Ich sollte seiner Tante in New York, eine Schallplatte "Wo die Nordseewellen trecken an den Strand" (im Original Ostseewellen) überbringen.
Ein Begleitbrief  nannte mir den Weg nach Hoboken:

"Wenn Du in New York bist, dann rufe bitte an: Hoboken 3-2878. Von der Pier gehst Du rechts an bis zur 42. Straße, dort nimmst die Fähre 42. Straße nach New Jersey. Dann nimm den Bus Hoboken bis Parkavenue 3009."

Wir dockten aus, an die Kolumbuskaje zum Ausrüsten und um die Passagiere aufzunehmen.

Ein Schiff wie die Bremen ist wie eine Stadt, die jedes mal entleert und wieder aufgefüllt wird.
Das Beobachten der Anlieferung der tausend Dinge ist immer eine Schauspiel.

Die Ankunft der Passagiere am "Bahnhof am Meer" einzigartig! Die Passagiere steigen aus dem einen Verkehrsmittel, der Eisenbahn in das nächste, den großen Überseeliner. Vom letzten "Dorf" vor New York, von Bremerhaven, to next Station, New York. Bremerhaven, ein Vorort von New York.

Hier der Beweis:

https://www.google.de/maps/preview/uv?hl=de&pb=!1s0x47b6b050f3a54e33:0xbb1fc6a4169b41cb!2m5!2m2!1i80!2i80!3m1!2i100!3m1!7e1!4shttp://www.panoramio.com/photo/9369981!5sletzte+kneipe+vor+new+york+-+Google-Suche&sa=X&ei=Z8BjU_XSHeT8ygO0v4HQCA&ved=0CKsBEKIqMAo


Die Kolumbuskaje:




























Viel Abschiedstränen sind hier schon geflossen. Man denke nur an die Tausende von Auswanderern der letzten Jahrhunderte. Eine Reise ohne Wiederkehr. Sie alle verließen die Heimat, die ihnen nichts mehr bieten konnte. Ein Bevölkerungsschwund ein Aderlass sondergleichen.

Mancher Landesherr versuchte Auswanderung nur mit Genehmigung zuzulassen, zum Teil sogar zu untersagen. Manch einer wurde auch, weil unliebsam mit Geld versehen, abgeschoben.
"Kommst Du zurück, kommst Du in den Knast!"

Nach 1848 (Paulskirche) verließ aus politischen Gründen viel Intelligenz die Heimat. Als Farmer getarnt erschlichen sie die Einwanderung. Nur zum "Farming" taugten sie nicht viel. Man nannte sie, weil viele Studierte waren "die Latin-Farmer".
Nicht lange, dann beherrschten sie im kleinsten Dorf die Presse oder wurden Banker, Doktoren oder Juristen.

Bremerhaven steht in der Tradition der Auswanderung an erster Stelle. Man baute für den Aufenthalt, für das Warten auf den Segler, ein Auswandererhaus und erließ Verordnungen zum Schutze dieser "Verlorenen".

Auswandererhaus 1850. Heute Teil der Hochschule Bremerhaven. Aus "Das große Bremen-Lexikon"

























Die Ärmsten wurden damit zu einem Wirtschaftsfaktor. Sie wussten noch nichts von den wochenlangen Strapazen auf den "Nussschalen" von Seglern. Die Hoffnung auf das gelobte Land ließ die Menschen viel Ertragen.

Noch eine Hürde Ellis Island, die Einwanderungsbehörde hatte das letzte Wort.

Es hält sich nachdrücklich ein Gerücht: "Alle, die man von Ellis Island, wegen Geistesschwäche oder sonstiger Gebrechen zurück schickte, siedelten mit allen Folgen der Gene im Bremer Land."


Noch ein paar Segler:













































Und wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, dem kann ich nur wärmstens empfehlen,
dieses hier nicht zu verpassen: