Dienstag, 27. August 2013

Dehnungsfalte, Sand und Piassavabesen

Routinesachen


Die Wache zwölf bis vier nachts: Deckwaschen und für uns Jungs ein paar unangenehme Zusatzaufgaben, tagsüber Messing putzen und "Farbe waschen", das hieß die Wände reinigen. Auch die Dehnungsfalte war aus Messing.
Die Dehnungsfalte lief über, über alle Aufbauten rund ums Schiff. Sie hatte die Bedeutung, dass das Schiff, mit seinen 300 Metern Länge auf mehreren Wellen liegend, nicht brach. Das Schwesterschiff, die "Europa" hatte mit ihren Dehnungsfalten Schwierigkeiten. Sie brachen öfters Mittschiffs und man versuchte mit immer dickeren Platten dem Übel beizukommen. Von den Passagieren wurden dazu immer Fragen gestellt. Ob die Antwort immer befriedigend war, sei dahin gestellt.
Erzählte man an Land von der Dehnungsfalte, man sah sie dort ja nicht, wurde das als Seemannsgarn
betrachtet.
Man konnte erzählen: "Wir konnten nicht landen, weil die Küste von Löwen besetzt war, die Matrosen sprangen von Mast zu Mast, die Heizer guckten aus dem Schornstein." Das war für die Leute vorstellbar, aber das mit der Dehnungsfalte, das war zu viel, das glaubte man nicht.



Hier wurde jede Nacht mit Sand und Piassavabesen geschrubbt.


Neben dem Deckwaschen hatten Kollege Bernie und ich noch die Aufgabe den schönen weißen Lack der Aufbauten wieder vom Seewasser, das zum Deckwaschen benutzt wurde, vom Salz zu befreien. Mit dem Deckwaschen hielt man sich nicht auf. Wenn es fertig war, war für die Herren Matrosen "daddeldu". Nur Bernie und ich hatten noch die "ehrenvolle" Aufgabe des Entsalzens.
Hinzu kam für mich später auf der Nordroute Bremerhaven-New York noch das Messen der Wassertemperatur. Man wollte nicht, wie die Titanic einem Eisberg in die Quere kommen. Die Messtechnik stammte noch aus der Tiefwasserseglerzeit. Mit einer "Pütz", einem eimerähnlichem Gebilde aus Leder, holte ich mit einer langen Leine Wasser von Außenbords an Deck. Mit einem Thermometer, ähnlich wie Omas Einkochthermometer las ich die Temperatur ab.
An und für sich war es ein hoheitliche Aufgabe, nur vom Bootsmann auszuführen, der es aber einer "vertrauenswürdigen Person", mich, übertrug. Er lag dann längst in der Koje.

Wie jede Wache einen ersten Offizier hat, so hat jede Wachen einen Bootsmann. Unser, von der Zwölf-Vier-Wache, war schon etwas älter und durfte respektlos die Mütze schief tragen. Ein Privileg nur für fünfzig Jahre Fahrenszeit beim Norddeutschen Lloyd.

Mit dem Kollegen Bernie hatte ich meine Last. Er wollte nachts auf dem Bootsdeck nicht an der Leichenhalle vorbei. Das kostete die Reederei mindestens 30 Meter vom Frischwasserschlauch. Mit seiner Angst rauschte uns ein großes Stück Schlauch über Bord.
Er stand oben auf dem Deck, wo die Leichenhalle war und ließ den Schlauch auf das untere Deck herunter, wo ich es abfing. Irgendetwas, ein Geräusch wahrscheinlich, erschreckte ihn und in seiner Angst ließ er den Schlauch los, der an mir vorbeischoss. Alleine konnte ich das Gewicht nicht halten und der Schlauch verschwand im Meer. Mir war es recht, damit waren wir eine Teil der Last los und hatten nicht mehr so schwer zu tragen. Wir kamen jetzt jedoch nicht mehr in alle Ecken zum Salz abwaschen, da uns ja ein Teil Schlauch fehlte.
Der tägliche Inspektionsrundgang mit einem ersten Offizier mit Gefolge aus allen Abteilungen, auch mit Arzt, brachte es an den Tag -Salz- und unseren Bootsmann, auch im Gefolge, auf die Palme. Einer, wer auch immer, hatte doch wirklich Kristalle am schönen weißen Lack am Promenadendeck entdeckt, vielleicht sogar daran geleckt, um festzustellen Salz.
Der Bootsmann wartete nicht lange, kam auf mich zugeschossen, ich fürchtete im nächsten Hafen an Land gehen zu müssen.
Ich konnte nur sagen: "Der Schlauch war zu kurz." Und das war nicht gelogen. Bernie der eigentliche Übeltäter merkte nichts, er lag in der Koje und schlief.


Eigentlich immer aktuell

Aus Der Postillion

Dienstag, 13. August 2013

Flugzeug an Bord

Ein Flugzeug an Bord

Hier das Bildmaterial, das es nicht geschafft hatte:



Aus "Die Bremen kehrt heim" von Hanns Tschira











Alle Bilder aus "Vom Schiff in die Luft" von Dirk J. Peters



Diese Zeichnung sollte im Text eingefügt sein. Das nächste Bild muss so groß sein , damit man die Details erkennt.
Aus "Shadow Voyage" von Peter A. Huchthausen











Montag, 12. August 2013

Muss i denn, muss i denn...

Endlich auf großer Fahrt


Das es nach Südamerika ging hatte ich ja schon erwähnt, der Kapitän hatte mich nicht darüber informiert. Das bedeutete richtig große Fahrt.

Die Musiker an der Kaje stimmten schon ihre Instrumente für den Abschied.

Ich weiß nicht wie viel Passagiere wir an Bord hatten, an der Kaje standen bestimmt doppelt so viele Menschen um zum Abschied zu winken. Unsere Passagiere, ich musste von KDF umdenken, es waren keine Volksgenossen, es war zahlendes Volk, "Haute-Volaute".
Ein Abbild einer Epoche, ein paar Monate vor dem großen Orlog. Noch ahnte keiner etwas! Wirklich keiner? Später musste ich oft an die Leute denken, die ich bei Maria kennen gelernt hatte. Wussten diese Leute mehr? Sollte ich deshalb bleiben?

Im Frühjahr 1939. Die Schiffe im Liniendienst New York waren nicht mehr ausgelastet. Westbound-New York waren die Buchungen noch gut, Eastbound-Europa war nicht mehr so gefragt. Ich hörte, was das ist wusste ich nicht, die koschere Küche hatte man geschlossen. Geld von Devisenschiebern wollte man nicht mehr. Wie schiebt man Devisen? Ich, der aus dem noch friedlichem Italien kam verstand die Welt nicht mehr.
Unsere Küche funktionierte noch, das Essen war gut.

Endlich Leinen los, einmal rund um Südamerika. Man hatte es tatsächlich geschafft, das Chaos von der Kaje an Bord zu schaffen. Ich war für die Zwölf-Vier-Wache und für die Manöver An- und Ablegen zum Vorschiff eingeteilt. Besser als das Achterdeck, es ist alles übersichtlicher.

Die Musik "Muss i denn, muss i denn" wurde vom lauten Abschiednehmen der Massen übertönt. Dann noch dreimal lang mit der Tute zum Abschied, gab dem Treiben den Rest. Das war keine müde Dampfpfeife, das war ein Typhon, der da losbrüllte.

Die Schlepper verabschiedeten sich und vervollständigten das Heulkonzert. Bis zum "Wremer Loch", ein paar Meilen weserabwärts, hatten wir alles seefest verstaut. Die Anker blieben auf der sogenannten Revierfahrt noch klar zum Fallen.
Sicherheit ist alles, denn die Weser war mit den Sänden und der schmalen Fahrrinne ein tückisches Revier. Nicht alles ist Wasser, was wie Wasser aussieht, es ist ein Delta mit mehr Sand als Wasser und das besonders für einen "Dobbas Ahoi", etwas großes wie die Bremen.
Immerhin 300 Meter lang, die Breite muss ich mal ausmessen.

 
Eigentlich sollte hier ein Bild sein, aus technischen Gründen ist es leider nicht möglich.
 
 
Auch der Lotse war noch an Bord, notwendig bei dem schmalen Fahrwasser und bei dem starken Verkehrsaufkommen der von Bremerhaven kommend auf den Gegenverkehr aus der deutschen Bucht trifft.

Neu war für mich der Aufwand von Schiffsvolk beim Ablegemanöver. Ein Haufen niedriges Volk, aber auch zwei Offiziere, einer sogar ein "Erster". Sie wollten, wenn der Alte nicht in der Nähe war gerne mit "Herr Kapitän" angesprochen werden.

Freiwache bis zwölf Uhr nachts. Maria ist so weit weg, ihre Telefonnummer auch. Ich habe Hoffnung, dass sie sich einmal meldet. Sie hat doch die Möglichkeit mich zu erreichen.

Bis zum Ausgang englischer Kanal "Landsend", standen die aus dem Stand der Matrosen aufgestiegenen Quartermaster am Ruder.
Im Kanal, dem Nadelöhr, herrschte nicht nur ein hohes Verkehrsaufkommen, sondern die Kanalfähren, die vielen, mussten ihre Fahrpläne einhalten und waren Querfahrer. Radar gab es noch nicht. Ein Wunder wie wenig passierte.
Bei Nebel war es auf der Brücke nicht auszuhalten. Nervosität war zu spüren. Jeder war froh dem anderen aus dem Weg zu gehen.
Im Atlantik stand dann der der "Eiserne Mann", die Selbststeuerung am Ruder. Etwas, was mir noch unverständlich war.


Auch hier sollte noch Bildmaterial kommen. Werde sie nach Lösung der technischen Probleme nachreichen.

Mittwoch, 7. August 2013

Erste Schritte auf der Bremen

Überseekoffer, Postsäcke und mehr


Froh war ich einen von den überall postierten Bellboys zu sehen. Die wußten Bescheid.
Bellboys, Klingeljungs, Bellhops, Flunkies, alles das Gleiche. Vornehm wurden sie Pagen genannt. Es waren angehende Stewards, die eine Sorte Schiffsvolk, Seefahrer und keine Seeleute.
Sie sorgten für das Wohl der Passagiere. Bei bis zu zweitausend Passagieren, eine erkleckliche Menge Volk. Die Bellboys waren die unterste Stufe in der Hierarchie. Es ging weiter mit den Kabinenstewards für das Betten machen, von denen viele auch für die Musik zuständig waren. Dann die Essensträger nach Klassen 3., Touristen-, 1. Klasse aufgeteilt, bis zu Restaurantfachmann auf dem Oberdeck.
Dort gab es auch die Leichenhalle. Die benötigten keine Bedienung mehr, wollten nur zurück in Heimaterde.
Nicht zu vergessen: die Deckstewards. für alles gab es dann noch einen Obersteward mit den Blitzableitern, seinen Assistenten. Dann war da zum Schluß noch der Oberobersteward, der Chiefsteward.
Ein Page, aus dem englischen, sprich päitsch. Historisch ein Edelknabe bei Hofe. Die Pagen gingen auch mit einer Tafel, befestigt an einem Stock, auf der ein Blatt Papier (page) mit dem Namen der Person befestigt war, die ausgerufen wurde. "To page him/her out!"
Unsere Edelknaben verdienten ein Schweinegeld an Trinkgeldern, was bei uns schon mal Neid aufkommen ließ. Viele wollten gar nicht befördert werden, sie wollten Flunkies bleiben. Das war besser als Betten machen, wo es nicht soviel Trinkgeld gab.

Einer von ihnen war legendär in Bremerhaven, "Boy-Pauka", schon ein älteres Semester, im Besitz eines Fortbewegungsmittels der New Yorker Polizei, einer Harley Davidson. Boy-Pauka war auf Grund seiner Konstitution nicht in der Lage, den Motor zu starten. Es musste immer ein "Starker" kommen. Zur Belohnung für die "Starthilfe" gab es eine Zigarre.
Es wurde gerne rezitiert: "Boy-Pauka erreicht das Schiff mit Müh und Not, Zigarre war aus, Boy war tot."

Wenn man von oben das Abfertigen eines Schiffes am Tag des Auslaufens betrachten könnte, käme einem der Vergleich mit einem Ameisenhaufen.

Es gab wegen der Länge der Reise, diesmal nicht New York, sondern rund um Südamerika, ein besonders großes Angebot an Proviant, Becks Bier und Schnaps waren auch dabei, der Kaviar wurde unter Bewachung geliefert. Die Kräne machten einen Höllenlärm: "Vorsicht schwebende Lasten!" Postsäcke, Riesenkoffer, Gepäck im Netz, seemännisch Netzbrook, sogar ganze Autos wurden auf das Achterdeck gesetzt.
Ich war das erste Mal Gepäckträger, besser Gepäckfahrer, den die Kaventsmänner von Überseekoffern konnten nur per Sackkarre bewegt werden. Für die südlich von Bremen wohnenden Leser: Kaventsmann kann für alles was groß ist benutzt werden, auch die großen Wellen auf See werden so bezeichnet.

Die Postsäcke wurden von Postbeamten in Empfang genommen. An Bord war ein eigenes Reichspostamt.

Der Stempel gut zu erkennen: Deutsch-Amerik. Seepost Bremen-New York

Hier der Stempel der "Bremen" gut zu erkennen.

Folgender Link, obwohl von 1936, paßt sehr gut. Er zeigt etwas von der Abfahrt aus Bremerhaven. Ausschnitt aus einem Spielfilm mit Viktor de Kowa, der auf der Bremen während der Überfahrt gedreht wurde. Die Fenster, die über der Kapelle, die zum Abschied spielt (die Betten-Mach-Stewards) zu sehen sind, sind die vom Restaurant, ein Stückchen weiter dann die Leichenhalle.

http://www.youtube.com/watch?v=zAop412MBTk



NDL - Norddeutscher Lloyd

Hier noch etwas Bildmaterial zum NDL.

Routen, die der NDL 1923 fuhr, zweiter Teil nächstes Bild


Einschiffung "Kaiser Wilhelm der Grosse" 1898

Wartehalle NDL 1871

"Columbus" im Kaiserhafen 1926

Einschiffung "Seydlitz" vor der Wartehalle ees NDL ca. 1926

Plakat 1875

Folgendes Bild ist Anzeige aus diesem Buch. Der Dampfer auf dem Einband ist der Lloyd Dampfer aus der Anzeige.

Aus Verkehrshandbuch 1923

Auch 1923, hier nur die Fernreisen, Anzeige für Berlin aus siehe nächstes Bild

Verzeichnes aller Berliner Freimaurer

Agentur NDL Lloydstrasse Bremerhaven ca. 1910

NDL-Areal am neuen Hafen 1887

Plakat um 1930

Lloydhalle 1935

Postkarten alle Historisches Museum Bremerhaven und Museum für Gestaltung Zürich

Aus "Nordwestdeutsche Zeitung" Freitag 8. Juni 1934

Man beachte Bremerhavener und Wesermünder Hafenverkehr waren getrennt und Fischdampferverkehr war noch gesondert aufgeführt, ausserdem hieß es noch Neuyork, aus wie oben