Donnerstag, 2. April 2015

1939, EIN HEISSER SOMMER

Es war heiss in New York. Mittags, nach dem Essen ein kleiner Schlummer an Deck. Die sonne meinte es gut. Zu gut für meine Füsse, die in den Gummistiefeln kochten. Gut, dass ein Hydrant zum abkühlen in der Nähe war, bloss keinen Sonnenstich bekommen.
Warum wird man Seemann? Um Messing zu putzen! Was ging im Kopf des Bootsmanns vor, bei dieser Hitze Bernie und mich, uns Leidensbrüder, in den Mast zu jagen, um die Glocke am Mastkorb zu putzen. Mit Mast und Korb hatte dieses 30 Meter hohe Ding nichts mehr zu tun. Die Bezeichnungen kamen noch von den Segelschiffen; auch nichts mit einem "Krähennest". Es hatte seine ursprüngliche Wichtigkeit weitest gehend verloren.
Auf  den Segelschiffen mit ihrer geringen Wendigkeit, war es notwendig, um möglichst früh einen Entgegenkommer auszumachen. Das war vom Ausguck, dem höchsten Punkt des Schiffs einfacher, als von der Brücke. Es war der einzige Platz damals, von dem aus man die Krümmung der Erde sehen konnte. Über die Kimm, dem Horizont sah man zuerst die Masten, bevor das ganze Schiff auftauchte.
Die Glocke diente als Verständigungsmittel mit der Brücke. nicht nur bei Gefahr, sondern auch jede halbe Stunde, ertönte die Glocke der Brücke, und der Ausgucksmann antwortete. Die Zeitspanne wurde "Glasen" genannt. Jede Wache bestand aus acht Glasen.Das stammt aus der Zeit, als die Sanduhr auf der Brücke alle halbe Stunde gedreht werden musste. Das wurde mit der Glocke angezeigt und der Ausgucksmann antwortete, um anzuzeigen, dass er nicht pennte.
Neben der Bimmelei war vom Ausguck zu melden:"Auf der Back ist alles wohl, und die Lampen brennen." - das Vorschiff und die Lampen waren von dort oben, besser zu über-
blicken. Von der Brücke kam dann ein "O.K". Auf Englisch hiess es:"Light shines right, Sir." Bei Sturm auch mal so:"May I fuck you wife, Sir?" Durch das Heulen des Windes klang es gleich. Von der Brücke kam ein "O.K." und der Ausguck grinste.

Also, unser "Mast" war eine Metallröhre, in der man innen hoch kletterte, bis zu einer Art Kasten, dem modernen "Krähennest". Wir hatten eine Aussicht. Unten am Pier schwitzte ein Shoe shine boy in der Sonne. Nach fast jedem Kunden, das Geschäft lief gut, sauste er über die Strasse zum nächsten Diner und holte sich für 5 cents diese schwarze Brause, eine "Coca Cola". Der Wirtschaftskreislauf funktionierte.
Ich hatte wieder etwas für mich Neues, von dem ich in der Heimat berichten könnte: "Shoe shine boy", "Diner" und "Coca Cola".
"Coca Cola" hatte in Deutschland noch keine grosse Verbreitung gefunden. Man legte darauf, es kostete schliesslich Devisen, auch  keinen grossen Wert. Um die Bevölkerung abzuschrecken, hatte Deutschland es geschafft, dass auf der weltweiten Standardflasche die Warnung:"koffeinhaltig" stehen musste. Doch der Schuss ging nach hinten los. Kaffee wurde immer knapper, da kam "Coca Cola" gerade recht.
Bernie und ich saßen hoch oben im Krähennest und sahen unten die Leute schwitzen. Hier oben sorgte immerhin ein Lüftchen für etwas Kühlung. Für wen bloß sollten wir der Glocke Glanz verpassen, Glanz wie auf den Schuhen unseres Shoe Shine Boys.
Hier oben war ich dran mit der Angst. Während Bernie hier vor der Leichenkammer sicher war, Liess mir meine Höhenangst kaum Zeit zum putzen. Ich zitterte. Wenn am Lade-
baum eine Last hing, zitterte der mast mit mir um die Wette. Von der Brücke aus glaubte der Bootsmann, mit dem Fernglas, den Fortschritt des Glockenglanzes zu sehen. Im Blechkasten klingelte das Telefon. Es war ein modernes Krähennest! Daddeldu, Feierabend. Ich erreichte das rettende Deck mit immer noch schlotternden Knien. Wie sollte das bloß in der, für die Ausbildung, vorgeschriebenen Zeit auf einem Segelschiff werden. Wie würde ich in die Masten kommen, geschweige denn, wieder raus?
Die nächste Reise eastbound Bremerhaven musste die "Bremen" mit einseitigem Glockenglanz bestehen.
- Keine Beschwerden; so hoch kam die tägliche Visite nicht-

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