Sonntag, 24. Mai 2015

EISWINTER IN HAMBURG


Wir hatten unseren Liegeplatz in der Nähe der Kornhausbrücke. Nicht weit davon, an der Brandstwiete war im "Kornhauskeller" unser allabendlicher Ankerplatz. Pflichtgemäß besuchte ich einmal meine Tante Dina in Langenhorn. Onkel Rudolf war nicht da. Er war als Ingenieur bei Hapag Australienfahrer gewesen. Jetzt war er auf der Howaldt - Werft in Kiel untergekommen.
Mehr habe ich damals von Hamburg nicht gesehen. Die Kneipe war gemütlich, der Wirt lustig und die weiblichen Bedienungen sehr entgegen kommend. "Fühl´ mal meinen Puls." Die beste Stelle dafür, schien den Damen zwischen Oberkante Strumpf und Strumpfgürtel zu liegen. "Das darfst nur du", galt für alle guten Gäste. Ich gehörte nicht dazu, war wohl noch zu grün hinter den Ohren.
Ein Bier kostete 15 Pfennig. Für Hamburg preiswert, für uns teuer. Es gab immer wieder
finanzielle Engpässe. Der Freilagertabak und der Schnaps halfen uns aus der Misere. Der Wirt war ein dankbarer Abnehmer. Das Geld, das wir einnahmen, floss umgehend in seine Kasse zurück. Ein Problem wurden nur die Zöllner an der Kornhausbrücke. Sie kannten uns schon und vermuteten bei uns keinen Freilagerschatz, bis sie unseren Matrosen Karl Palluch erwischten. Karl versuchte sich heraus zu reden, dass er den Schnaps für kriegswichtige Zwecke brauchte. Er müsse eine Soldatenfrau trösten. Doch der Zoll liess sich nicht erweichen. Es war doch Krieg! Karls Schnaps war weg und sie hatten uns auf dem Kieker. Mir fiel Italien ein. Dort waren die Zöllner verhandlungsbereiter gewesen.
Eine der Kneipentouren war unserem Karl schlecht bekommen. Es war spät, wir schliefen schon. Plötzlich lautes Schreien. Karl war in den Hafen gefallen. Die Eisschollen waren noch gefährlicher für ihn, als das eisige Wasser. Mit einem Rettungsring an einer Leine zogen wir ihn zur nächsten Leiter an der Kaje. Hein Berlin kletterte hinunter, wickelte ihm das Tau um den Bauch und wir zogen unseren Karl nach oben. Er schrie und bibberte, trotz mehrer Decken und einer ordentlichen Portion Schnaps, noch in der Koje. Irgendwer musste telefoniert haben. Es rollte der ganze kriegsgemäße Apparat an. Die Kaje stand voll mit Feuerwehr, Rettungswagen, Polizei, und irgendwelchen Soldaten, ausgerüstet, wie zum Gefecht, mit Karabiner und Gasmaske.
Von da an, kontrollierte uns auch der Zoll immer genau. Wie so oft im Leben, war es ein Zufall, der unser Problem löste. Ich lernte im "Kornkeller" Fietje kennen. Er war Barkassenführer, konnte aber bei dem Eis nicht arbeiten. Er kannte den Hafen aber besser, als jeder Zöllner. Er übernahm den Schnapstransport und erzielte auch höhere Gewinne, als wir. Fietje wohnte in Altona. Ich besuchte ihn dort. Seine Frau mochte mich nicht. Sie gab mir die Schuld an Fietjes hohem Schnapskonsum. Seine Tochter Anneliese mochte mich um so mehr. Anneliese war reizend, aber noch anziehender war ihre Tätigkeit: Platzanweiserin im Kino! Der "Kornhauskeller" sah mich seltener. Ich verbrachte meine Zeit mit Filme gucken. Anneliese war dabei oft ein lieber Störfaktor. Der Krieg schien in weiter Ferne. Ein gefügeltes Wort war damals :"Geniesse den Krieg, der Frieden wird fürchterlich. Mit dem Tauwetter endete die schöne Zeit in Hamburg. Tschüß, geliebte Anneliese! Ich komme wieder.



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