Sonntag, 21. Juli 2013

Letzte Friedensweihnacht.

 


Mit der Reichsbahn auf Kurs Nord. Sie sprengte alle Regeln und Vorschriften. Wir hielten an Bedarfshaltestellen. Kisten mit Wein und Körbe mit Früchten wurden ausgeladen, die Kumpels wurden mit großem Hallo verabschiedet. Letzter Stopp vor Bremerhaven Ritterhude, dann Heimatluft.

Weihnachten 1938 war, was zu dem Zeitpunkt keiner ahnte, die letzte Friedensweihnacht. Und für uns auch die letzte Weihnacht mit der gesamten Familie.
Nach den Festtagen, die etwas Abwechslung gebracht hatten, wurde Bremerhaven für mich langweilig. Die Freunde von früher waren für mich, als bereits "gestandenem" Seemann, noch Kinder. Wir waren uns fremd geworden.
Ich fühlte mich bereits als gereifter, weitgereister Mann und nicht mehr als der Jüngling der früheren Jahre.
Herbert ein Fischdampfermatrose, ein paar Jahre älter als ich, hatte etwas, was ich nicht hatte: "Geld", denn "Kommt der Seemann aus dem Mittelmeer, hat er keine Mittel mehr."
Wir fuhren mit dem Taxi ins Nachtleben. Am Theaterplatz "Rote Mühle", in der Fährstrasse "Clou" und in der Bürger "Scala".

In Bremerhaven, Entschuldigung Wesermünde hieß es ja, war was los.
Die strengen Kontrollen, auch von der Hitler-Jugend-Streife, ob jugendliche Nachtbummler unterwegs waren, gingen immer an mir vorüber. Erstens sah ich älter aus und zweitens war ich elegant gekleidet. Behütet mit einem Homburger oder dem echten Borsalino aus Italien und den neuen italienischen Schuhe, sowie meiner Größe, mit 14 war ich schon 1,76, was groß war damals, ging ich immer als erwachsen durch.

Silvester noch im trauten Familienkreis, die Eltern waren wieder aus Kiel rüber gekommen. Vater war bei der 7. U-Boot Flottille gelandet.

Für mich wurde es Zeit wieder festen Boden, das heißt Decksplanken unter die Füße zu bekommen.

Selbst an den Wesermünder Heimatduft, speziell von Wilhelms Fischmehlfabrik, hatte ich mich schon wieder gewöhnt. Wenn ich seinerzeit einmal länger abwesend war, am Bahnhof ankam, Luft holte, wusste ich Heimat. Nach ein paar Tagen hatte die Nase sich daran gewöhnt. Es war der Duft, der Arbeit. Der Fischereihafen und der Norddeutsche Lloyd waren die größten Arbeitgeber.
Die Menschen in Wesermünde empfanden, was da von Fischmehlfabriken ausdünstete, nicht als Gestank, es war Arbeit, es war Leben. Bei Westwind, der meist wehte, lag eine Dunstglocke über der Stadt. Man wusste, dass ein wertvoller Rohstoff des täglichen Lebens produziert wurde. Herstellung von Margarine, aber auch als Rohstoff für Lippenstifte. Es hielt mich allerdings nicht vom Küssen ab.

Aktuell

20.07.1944 Tag des Widerstands

Wie gestern 2013 ein herrlicher Sommertag. Mich "Bösen" hatten die Nazis ins Lager verfrachtet. Abends ertönte das Klingelsignal mit dem Schlüssel des Nachtwächters am Gitter. Der Saalälteste ging und kam zurück: "Es wurde ein Attentat auf Adolf Hitler verübt, aber er hat überlebt." Die Enttäuschung war grenzenlos.

20.07.1984


wie gestern ein herrlicher Sommertag. Wir saßen unter dem alten Apfelbaum. An dem Tag des Widerstands kam auch mein persönlicher Tag des Widerstands, ich rauchte meine letzte Zigarette.

Vor einiger Zeit wurde in einer Dokumentation über das Attentat auf Hitler berichtet. Die 10 cm dicke Eichenplatte des Tisches hatte die Wirkung der Bombe abgeschwächt und war somit Hitlers Rettung. Mit einem Tisch von Ikea hätten allein die Imbusschrauben ihre Wirkung getan.

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