Montag, 29. Juli 2013

Ciao, ciao Bella Italia

Letzte Erlebnisse in Italien


In Venedig erlebte ich immer schöne Stunden mit Maria und ihrer Familie. Wer konnte mir besser Venedig und dessen Geschichte erklären. Sie hatte viele Bekannte und Verwandte in den herrlichen alten Gemäuern.
An Bord schwieg ich, man hätte mir das nicht abgenommen.
Es war eine echte tiefe Freundschaft. In der Zeit lernte ich viel über die italienische Lebensweise, über die Kultur. Ich hörte hier in Italien mehr über Goethe, als in meiner ganzen Schulzeit.
Das Stadthaus mit Büro war ebenso wie das Gut ein offenes Haus, voller Gäste.
Ich hörte einmal von der Hausfrau: "Ein Gast am Tisch ist Gott!"

Es waren immer viele Deutsche anwesend. Eine andere Art von Deutschen, nicht die hitlerischen Deutschen, die ich im "Verein der Auslandsdeutschen" kennenlernte.
Den Hausherren, den Namen habe ich nie zur Kenntnis genommen, wurde mit "Conte" auch mit "Advocato" und manchmal mit "Condottiere" angesprochen. Diese Wörter hatte ich dann im Wörterbuch nachgeschlagen: Conte heißt Graf, Advocato Jurist und ein Condottiere ist irgend etwas militärisches.

Mittags gab es nicht das für mich gewohnte Essen. Man musste sich an die vielen Obstschalen halten. Wein vom eigenen Gut stand immer bereit. Auch die Kinder tranken schon in geringen Mengen davon. Essen, und das sehr üppig, gab es nur abends und zog sich über Stunden hin.
Ich habe vieles gegessen, was ich nicht kannte.

Die Hausherrin am Klavier mit Begleitung von wechselnden Instrumenten. Fremde Lieder, aber auch welche, die ich von Großmutter, die in einem Chor, sang kannte.

Großmutter mit Sängerorden, auf den sie sehr stolz war.



































"Kein schöner Land", "Im grünen Wiesengrund" und vieles mehr. Ich hörte auch das ewige Lied, das auf dem Ausflugsdampfer nach Capri gespielt wurde, wenn er unser Schiffe passierte.

Gut das mir keine Fragen nach meinen Liedern gestellt wurden. Aus einem Instinkt heraus schwieg ich. Wie hätte man wohl meine von der Hitlerjugend geprägten Lieder beurteilt. Zum Beispiel: "... heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!" (später erfuhr ich, im Original heißt es eigentlich heute hört
uns Deutschland...)

In dieser illustren Runde hatte ich noch oft die Gelegenheit zum Schweigen, aber auch zum Fragen stellen.
Maria sagte einmal: "Frag nicht zu viel!"

Die gewohnten Rundreisen um den Stiefel waren ohne Höhepunkte, außer Venedig, zur Routine geworden.
Die Döntjes waren abends in der Messe beim Bier beliebte Unterhaltung. Oft wiederholt, immer etwas ausgeschmückt, dadurch immer wieder neu.
Anderes ließ schon nach Monaten fern der Heimat auf einen Tropenkoller, auf einen italienischen schließen.
Behauptung: "Du kannst kein rohes Ei aus dem Bullauge werfen!" Protest, Debatten. Das musste bewiesen werden. Eier auf kurze Distanz durch das Bullauge werfen? Ein Schlauer: "Das Bullauge muss aber offen sein!" "Na klar!".
Donnerstags, Seemannssonntag, gab es Frühstückseier nach Wunsch. Gebraten oder gekocht. Die Küche wunderte sich, diesmal waren rohe Eier gefragt.
Tatsächlich, bis auf ein zwei Zufallstreffer kein Ei außenbords. Wir, nicht am Wettbewerb Beteiligten, grinsten und genossen unsere Eier, gebraten oder gekocht.
Erst viel später erfuhr ich dann die Auflösung. Es liegt an der Physik, es ist ein Naturgesetz. In rohen Eiern schwabbelt es und vermasselt damit das Geradeausfliegen.

In Neapel lag wieder einmal eine Einladung zum Fußballspiel vor. Wir gegen Napoli. Um gegen den Trott anzukämpfen, kam man auch auf die Idee einen Boxclub zu gründen. Genannt Heros II, nach dem Bremerhavener Boxclub Heros. Ich hatte kein Talent, aber einen verstauchten Daumen, der mich noch jahrelang an Heros II erinnerte, weil er jedes mal, wenn ich mit ihm irgendwo anstieß, noch weh tat.

Nach dem Fußballspiel besuchten wir mit unseren italienischen Sportsfreunden ein Art Jahrmarkt. Mit Buden, Karussell und mehr. Wir erlebten eine Schlägerei, waren aber nicht beteiligt. Sirenengeheul, Polizei dann war der Platz wie leer gefegt. Auch unsrer italienischen Freunde waren nicht mehr zu sehen. Die Verblüffung der Polizei, dass wir nicht die Flucht ergriffen hatten, war ersichtlich, aber wie wir später erfuhren nicht verwunderlich. In Italien fragte die Polizei nicht nach Schuld oder Unschuld, alle am Tatort bekamen Prügel. Wir hatten Glück, das wir als Tedesci, als Deutsche erkannt wurden, die mit den Fluchtgewohnheiten in Italien nicht vertraut waren.
Über diese Begebenheit schmunzelte Marias Vater und meinte: "In Italien wird aber keiner totgeschlagen." Eine der vielen dunklen Anspielungen und Erlebnisse, die mir erst später zu Erkenntnis kamen.

Maria und ich fuhren manchmal auch mit dem Auto zum Landgut. Der Fahrer, welche Aufgabe hatte er neben seiner Aufgabe als Fahrer? War er Personenschutz für Maria? War er Anstandswauwau? Ich weiß es nicht. Eine halbe Sunde Fahrt, die mir eine andere schöne Seite von Italien zeigte.

Das große Anwesen beherbergte eine Rinderzucht mit gepflegten Tieren und Weinbergen. Es gab viel Personal, dass auffallend schweigsam und sehr zurückhaltend war. Bei späteren Besuchen kam man sich näher und ich merkte, dass ein großer Teil Deutsche waren. Sie sprachen kaum italienisch. Was waren das für Menschen? Ich habe es nie erfahren, mir später aber viele Gedanken gemacht. Möchte darüber aber nicht spekulieren. Es soll dem Leser überlassen werden, unter Berücksichtigung der Umstände der damaligen Zeit, seine Schlüsse zu ziehen. Vielleicht finde ich ja noch eine Antwort.

Mir wurden viele Fragen gestellt, mehr als ich beantworten konnte. Wir waren im Frühjahr 1939. Auf Fragen nach den Bränden von Synagogen konnte ich keine Antwort geben. Wir selbst waren im Herbst 1938 bereits in Italien und ich hatte von der, später Reichskristallnacht genannten, Aktion nichts mit bekommen.
Irgendwie musste der Vater von Maria Erkundigen über mich eingezogen haben, er wusste einiges von mir. Er sprach mit mir, es war im Frühjahr 1939 über einen kommenden Krieg. Ob ich nicht in Italien bleiben möchte? Alles verwirrend, alles unverständlich, keiner von uns dachte an Krieg. Später habe ich oft an das Gespräch denken müssen und mir einiges ausgemalt.
Meine Italienreise sollte sowieso in Kürze abrupt enden. Ich sah Venedig und Maria nie wieder.

Schon vor Genua machte mir mein Hals Kummer. Die alte Kinderkrankheit, die Mandelentzündung kehrte zurück. In Genua bekam ich die Zähne schon nicht mehr auseinander. Mit dem mir bekannten roten Saft wurde gespült und gegurgelt. Der Bordarzt: "Die müssen mal raus:" Das war immer so, nur wenn die Schmerzen abgeklungen waren, dachte ich nicht mehr daran.
Entscheidung vom Arzt und von wem noch? Ich bekam die Heimreise nach Bremerhaven mit einem der Züge, mit denen die Passagiere zurück fuhren, verordnet.
Das lag wohl an der Devisenknappheit, im Ausland zahlte die Seekasse nicht. Die Kosten gingen zu Lasten der Reederei. Jedenfalls ging es mit Arztbericht auf Heimreise. Verpflegung braucht ich in meinem Zustand nicht, aber 20.- RM gab man mir für alle Fälle mit. Nicht geschenkt, man zog sie mir später wieder ab. Mir wurde aufgetragen nach Basel, im deutschen Vaterland, wenn möglich das nächste Krankenhaus aufzusuchen.
Mir ging es saumäßig. Noch vor Basel wurde mir übel, schaffte es gerade noch zur Toilette, spuckte und merkte, dass da etwas geplatzt war. In Basel war ich schon wieder ziemlich obenauf, stank jedoch fürchterlich aus dem Hals.
Zurück nach Italien? Ich weiß nicht warum, aber ich landete in Bremerhaven. Der Vertrauensarzt der Seeberufsgenossenschaft meinte auch: "Die Dinger müssen mal raus!", schrieb mich aber seetauglich und meine Mandeln waren vergessen. Die Heuerstelle in der Schleusenstrasse entschied, dass eine Rückkehr nach Italien nur unnötige Kosten verursachen würde.

An der Columbuskaje lag bereits mein nächstes Schiff. Die Bremen!


Noch was für die Ahnenforscher






































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