Montag, 1. April 2013

Von Hessen an die Küste und die Ahnen

Familienforschung

Wir haben bereits im Vorfeld über die Gepflogenheit der Namensänderung, wie z.B. die Lateinisierung von Namen nach Studium und Promotion, berichtet.
Bei der Familienforschung werden die Ahnennummern nach Kekulésystem erstellt. Dies vorab zur Erklärung.
Besonders interessant sind immer die kleinen Anekdoten aus der Vergangenheit, auf die man bei der Suche nach seinen Ahnen trifft.

Meine Großeltern stammten aus Hessen. Der Großvater war in Darmstadt geboren, seine Vorfahren stammen aus Schwarz/Oberhessen. Die Großmutter geboren in Schönberg an der Bergstraße, ihre Vorfahren stammten aus Beedenkirchen, ganz in der Nähe.
Großvater kam aus einem bürgerlichen Haushalt, Großmutter war eine Waise.








































 Und manchmal findet man auch "berühmte Verwandte".









































Bremerhaven war noch eine junge Stadt. Der Fischereihafen, der später der größte des Kontinents werden sollte, steckte noch in den Kinderschuhen. Bereits 1885 elf Jahre vor Eröffnung des Fischereihafens lief der erste "große" Fischdampfer nach Island von der Reederei Busse aus Geestemünde aus. An der Geestemauer findet man noch heute das Busse-Denkmal.

Nachdruck aus NZ 1.11.1996





































Aus einem alten Bremerhaven-Stadtplan



































In dieses Neuland strömten die Glückssucher aus allen Himmelsrichtungen. So machte sich auch Heinrich Jöckel (KekuléNr. 6), mit Frau Margarate, geb. Hechler (KekuléNr. 7), mit zwei Töchtern, eine meine Mutter, auf, um für die neue Stadt eine Stadtküche zu übernehmen.

Traditionsgemäß lernte der Älteste in der Familie Schlachter, für den zweiten war dann ein Karriere als Soldat üblich. Als drittes Kind war noch eine Schwester da, die verheiratet wurde, in diesem Fall auch mit einem Schlachter. Großvater war also Berufssoldat. Aber er musste "den Rock ausziehen". Eine Umschreibung für eine unehrenhafte Entlassung, die folgendermaßen zustande kam:
Wollte ein Soldat damals heiraten brauchte er den Dispens, die Erlaubnis. Mein Großvater hat jedoch seine Margarete geheiratet, ohne die Erlaubnis einzuholen.
Übrig blieb die Uniform, der Bierkrug und ein Spruch unter Glas:
Ruft einst das Vaterland uns wieder
als Reservist oder Landwehrmann,
dann legen wir die Arbeit nieder
und folgen treu der Fahne dann.

So musste mein Großvater sich neu orientieren und verließ die Heimat Richtung Küste.



Mein Urgroßvater war bereits Soldat, Wachtmeister der Darmstädter Dragoner, und verließ die Armee nach den 12 üblichen Jahren. Die Versorgung durch den Staat fand dermaßen statt, das die ehemaligen Soldaten Arbeit bei der Post, Sparkassen oder ähnlichen staatlichen Stellen bekamen. Im Fall meines Großvaters, war es der Posten eines "Großherzoglichen Gendameriewachtmeister zu Fuß".
Diese Herren waren sehr angesehen und wurden gerne als Schwiegersöhne genommen. Die Töchter gingen in "Stellung" oder wurden mit "honorigen Bürgern" verheiratet. So hielt es sich auch bei ihm und er heiratete die Tochter eines wohlhabenden Metzgermeisters mit damals üblicher Aussteuerverpflichtung. Somit entstand eine gewisse bürgerliche Wohlhabenheit.
Auch der Werdegang der Söhne hatte auch eine Regelung. Der Älteste übernahm Hof oder Gewerbe, die restlichen hatten je nach Stand folgende Möglichkeiten: einer studierte, gerne Jura, einer wurde Priester, das war die sicherste Lösung, andere wurden Soldaten.

Die vielen Geburten zu der damaligen Zeit forderten Regelungen.
Nach der Schlacht bei Königgrätz z.B. waren Auswanderungen verboten, weil der Anteil der männlichen Bevölkerung rapide abgenommen hatte. In langen Friedenszeiten dagegen kauften einige Fürsten Land in Amerika und stellten es ihren Bürgern zur Verfügung, um den "Überschuss" an Bevölkerung elegant los zu werden. Das Land war oft sehr schlecht und ernährte die Familien nicht. Texas ist ein Beispiel dafür. Für deutschen Ackerbau nicht zu gebrauchen, hätten sie damals schon gewusst, welcher Reichtum unter der Erde schlummert, wobei satt wären sie davon auch nicht geworden. Bald wurden aber auch da Soldaten gebraucht.

Mal so nebenbei:
Ein anderes Scharmützel zwischen Hessen und Preußen brachte den Hessen den Ruf der Blindheit ein. Den Preußen wurde nachgesagt das sie stinken. Es wurde behauptet, die Hessen hätten auf Misthaufen geschossen und nicht die Gegner getroffen. Die Hessen entgegneten daraufhin: "Wir haben dahin geschossen wo es am meisten stank."


Der Spruch aus den Soldatentagen, den ich oben erwähnte, hing in meinem Zimmer. Als die Großeltern 1907 nach Bremerhaven kamen, ahnte keiner, dass nur sieben Jahre später genau dieser Ruf kommen würde.






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