Mittwoch, 24. April 2013

Noch 'ne Reise

Sommerferien in Kiel


Vater wurde, die neue Wehrmacht brauchte noch die alten Soldaten, um genug Stärke zu bekommen, wieder reaktiviert.
Das bedeutete Umzug nach Kiel, aber ich sollte die Schule nicht wechseln, wollte es auch nicht und so blieb ich bei den Großeltern.

Alles war stolz. Der Führer auf seine neue Flotte. Vater auf die neue Aufgabe, auf dem Panzerschiff "Admiral Graf Spee" Bj. 1934, benannt nach einem Admiral aus dem 1. Weltkrieg. Er war in seinem Element. Und Mutter, geprägt durch die uniformtragenden Vorfahren, auf einen Ehemann in Uniform.



"Admiral Graf Spee"

 In den großen Sommerferien, es war das Jahr 1937, fuhr ich mit viel Erwartungen nach Kiel.
Mutter hatte eine Stelle in der Holsten-Brauerei gefunden. Frau Schulz, die Mutter in der befreundeten Nachbarsfamilie, arbeitete in einer Süßwarenfabrik. Das Schlaraffenland, Bonbons pfundweise zur freien Verfügung. Es war der Ausschuss, schlecht verpackt oder nicht ganz perfekt. Das war etwas ganz anderes als in Bremerhaven für 5 Pf. Dauerlutscher bei Schocken zu kaufen. Auch, nicht ganz unwichtig, die Tochter Ursel.

Werbefahrt der Holsten-Brauerei, meine Mutter im Wagen hinten rechts


Frau und Herr schulz

Ursel und ich





































































Wir fuhren täglich mit der weißen Dampferlinie oder war es die blaue, die es auch gab, zum Strand an die Förde.
Taschengeld täglich eine Reichsmark, welch eine Reichtum. Ich kaufte mir jeden Tag ein Pfund, damals wie heute 500 Gr., Kirschen.
Als erstes, obwohl ich nicht nackt ankam, wurde ich von Kopf bis Fuß neu eingekleidet. Gerade in Mode waren Knickerbocker, siehe Bilder.
In Bremerhaven vermied ich später die Knickerbocker anzuziehen. Sie waren nicht "mein Ding".


Mutter und ich

Vater und ich





































































Die "Graf Spee", Schiffe sind immer weiblich, lag in der Förde an einer Festmacher-Boje. Es war ein traumhaftes Erlebnis im tiefsten Frieden, wer dachte an Krieg. Wer erahnte die späteren Ereignisse des Schiffes am Rio de la Plata (siehe Zeitungsartikel auf der Bilderseite). Vater hat das nicht miterlebt, er war zu der Zeit bei der 7. U-Bootflotte in La Baule, St.-Nazaire.

Jetzt hatte das Schiff Friedensaufgaben, z.B. Bürgerkrieg Spanien (siehe Bild und Zeitungsartikel auf der Bilderseite) und Spithead zur Flottenparade, anlässlich der Krönung von George VI. Deutschland errang allmählich wieder internationale Anerkennung. Auch Italien half Franco "Ordnung" herstellen.
Man sang: "Wir fliegen jenseits der Grenzen mit den Fliegern Italiens vereint". Es war für die neue Luftwaffe die erste Übung für späteren Einsatz der ganz besonderen Art.
Picasso schuf das Bild "Guernica". Für Kritiker hatte man parat: "Wo gehobelt wird fallen Späne."
Die Besatzung der Spee wurde für ihren Einsatz belohnt mit einer Reise nach Berlin zum Führer (siehe Bild auf der Bilderseite).

Vater brachte mir als Andenken ein Käppi mit. Vorne hatte es einen Troddel und war von einer militärischen Organisation, der "Falange Espanol". Zurück in Bremerhaven präsentierte ich es stolz.
Es überlebte aber die erste Begegnung mit Großvater nicht und war sofort verschwunden. Erst sehr viel später, wurde mir klar, warum ich damit nicht herumlaufen sollte.

Bis auf eine Wache gehörte die "Spee" mir, ich durfte an Bord schlafen. Zur Landverbindung, zum Hindenburgufer, verkehrte ein Pinasse, ein bordeigenes Motorboot. Die Touren damit machten mir viel Spass.
Kommandos an Bord werden gepfiffen. Man nennt es "Seite pfeifen" mit einer speziellen Pfeife, der Bootsmannspfeife. Geht der Kommandant von Bord oder kommt wird gepfiffen. Alles hat eine Melodie. Es hieß: "Backbordwache still gestanden." Vater sagte: "Guck mal die Wache wird raus gepfiffen."
Einmal fuhr ein Boot vorbei mit einer dicken Frau im langen weissen Mantel. Vater sagte: "Das ist Hermann Göring."

Das Boot sah ich später wieder, der Stern Reporter, der Hitlers Tagebücher "fand", hatte es für das Honorar gekauft.

Die Marine mochte die braunen Nazis nicht, sie war noch sehr kaiserlich. Göring nannten sie den Reichsfischfuttermeister. Auf einer Fahrt nach Helgoland schaukelte es bei etwas Seegang und ihm fiel das Essen aus dem Gesicht.

Wir hatten auch freien Eintritt zur Marine Badeanstalt. Ich kletterte auf den 10-Meter-Turm, Mutter schimpfte, ich war zu feige um wieder runter zu klettern und dachte springen sei das kleinere Übel. Dieses eine mal und nie wieder.
Jeden Abend, auf dem Weg nach Hause, kehrten wir irgendwo ein auf ein Bier und Vater trank sein Holsten.
Ich genoss die Zeit, die im Fluge verging.

Alles hat ein Ende. In meiner Erinnerung war dies der schönste Sommer bevor der Ernst des Lebens begann.


Mutter und Vater









Vater, Mutter und ich

Vater, Frau Schulz, Mutter und Ursel
Ursel, Vater und ich





























Aktuell

Aus Bank und Börse, Tomus Verlag




































Aus dem Archiv und trotzdem Aktuell!


Wie man sieht: Alles schon da gewesen

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