Mittwoch, 5. Juni 2013

Backbord und Steuerbord

Wieder etwas gelernt


Erich, mein Kollege, der wie ich als Offiziersanwärter war, trug jetzt schon zwei silberne Sterne am Kragen. Er hatte sie seit der Schulung in Bremerhaven nicht wieder entfernt. Mein Anspruch war, es müssten goldene sein und dass wir bald mal ins Heiligtum, auf die Brücke und dort ans Ruder, kommen sollten.

Jetzt wird es spannend: ein Ruder ist nicht wie im Rettungsboot ein Riemen, sondern wird von der Brücke aus mit dem Steuerrad, entsprechend den Anweisungen der Steuerleute oder nach Vorgabe eines Kompasskurses bewegt. Der Wachthabende Offizier guckt des öfteren achteraus, um am Fahrwasser zu prüfen, ob der Rudermann nicht zu viel kurbelt.
Wenn das passiert kam zur Ermahnung: "Du willst wohl deinen Namen mit Kielwasser im Ozean verewigen."
Wenig zu versteuern, möglichst geraden Kurs zu halten, spart Energie und Zeit und bringt die Navigation nicht durcheinander.
Kielwasser nennt man auch Schraubenwasser, weil es von der Schraube erzeugt wird. Schrauben gibt es viele an Bord, darum heißt die Schraube, die das Schiff antreibt auch Propeller. Vor dem Schraubenantrieb hatte man Raddampfer mit seitlichen Rädern. Der Schiffspropeller wurde weit von der Küste entfernt, von einem Österreicher erfunden.
Der Bootsmann äußerte einmal, dort gäbe es eine Menge schlauer Laute. Da hatte man die Musik (Mozart) erfunden und ein gewisser "Parzer" hat den Grill entwickelt und nannte sich fortan Grillparzer.
Auch unser Führer Adolf Hitler kam aus der Gegend. Braunau am Inn. Später habe ich gemerkt, dass der Bootsmann auch ein Kenner der Literatur war.

Auf einem Schiff heißt es nicht "rechts" und "links". Es heißt Steuerbord und Backbord. Die Schiffsseiten werden mit den Farben Grün für Steuerbord und Rot für Backbord gekennzeichnet. Wichtig in der Nacht. Die Farben zeigen die Fahrtrichtungen der Schiffe an. Entgegenkommer oder Mitläufer. Sieht man von einem Entgegenkommer rot und grün auf sich zukommen, schließt man besser die Augen, denn dann knallt es gleich.
Das alles stand auf meinem Lehrplan. Wie merkt man sich das? Es genügt bekanntlich nicht, zu wissen, dass der Daumen links oder rechts ist. Eben rot oder grün. Deshalb war die Eselsbrücke: "Wenn dir ein Rechtshänder eine Backepfeife haut, wird die linke Backe rot." Das war wieder so eine Weisheit des Bootsmanns.
Der Ursprung liegt auch hier wieder im Englischen. Bevor  man ein Ruderblatt am Heck zum Steuern hatte, steuerte man mit einem Riemen/Ruder an der rechten Seite des Schiffes. Das war Steuerbord, englisch Starboard. Um das Ruder nicht zu beschädigen, ging man niemals mit dieser Seite das Schiffes,  mit Steuerbord an die Pier, sondern mit der Gegenüberliegenden. Hafen heißt im Englischen Port, daher nennt man die Gegenseite von Steuerbord "Portside". Der Mann am Ruder rechts, steht zwangsläufig mit dem Rücken zur Portside. Hinten, englisch back, daher im Deutschen Backbord. So einfach soll das sein.
Man sieht hier, welche Intelligenzanforderungen auf einen angehenden Kapitän einstürmten.

Unter den Seeleuten wurde eine Geschichte von einem alten Segelschiffskapitän erzählt. Er hatte einen verschlossenen Kasten in seiner Kajüte, den er häufig benutzte. Er starb auf See und wurde dort bestattet. Die Mannschaft war gespannt auf das Geheimnis im Kasten. Was hatte den "Alten" getrieben, so oft in diesen Kasten zu gucken. Zur Überraschung der Männer enthielt er nur einen kleinen Zettel auf dem stand: "Steuerbord ist rechts und grün und Backbord ist rot und links."

Mit der englischen Bezeichnung Portside oder Starboard hatte es zur Zeit der englischen Kolonialmacht noch eine besondere Bewandtnis. Viele Schiffspassagen erfolgte zwischen dem Mutterland und den Kolonien, unter Anderem nach Ostasien.
Die Majors und Colonels, die zum Zeichen der Würde das traditionelle Stöckchen unter dem Arm trugen, besonders aber die Damen, die öfter ihre Ehemänner besuchten, genossen auf Schiffsreisen das Privileg "Posh", was so viel wie sehr nobel bedeutete. Bei den Schiffspassagen stand P.O.S.H als Abkürzung für "Portside Out Starboard Home". Das war klimatisch bedingt.
Die Schiffe, auch jene für die Tropenfahrt hatten noch keine Klimaanlagen, nur Windhuzen, die den Fahrtwind zum Kühlen ins Schiff pusteten. Auf den in Richtung Indien fahrenden Schiffen, war Portside immer die nördliche, die kühlere Seite der Schiffskabinen. Umgekehrt war es auf der Rückreise.

Auf diese Weise wuchsen auch meine Kenntnisse der Englischen Sprache. Im Grunde war es wohl mehr das Englisch des Bootsmanns, von dem ich einmal den herrlichen gegenüber einem vermeintlichen Engländer geäußerten Satz hörte: "Kumm mi nich an mien Damper, un piss not an my Verschanzung, das is no good for you."
Verschanzung ist der Teil des Schiffes, der aus dem Wasser ragt, also die sichtbare Bordwand. Es stellte sich übrigens heraus, dass der Engländer ein Holländer war. Es muss ein Seemann gewesen sein, denn er verstand das merkwürdige Englisch des Bootsmanns. Vielleicht lag es an der Sprachverwandtschaft des Ostfriesischen zum Niederländischen.

So verging der Sommer 1938 mit den Norwegentouren, mit "Kraft durch Freude". Der reine Urlaub. Zum Spätsommer hin wurde Norwegen herzlich ungemütlich. Unser Schiff drehte auf Richtung Süden, nach Italien. Die Deutschen Volksgenossen sollte in den Genuss der politischen Freundschaftsachse Berlin-Roms kommen.

Ich hatte jetzt die zweite Beförderung hinter mir. Nach den Stationen als "Moses und Decksjunge" erklomm ich auf dem Weg zum Kapitän die nächste Sprosse. Nun war ich ein "Jungmann". Erich, ebenfalls befördert, heftete sich einen neuen Stern an den Kragen. Er fühlte sich nun wie ein "Oberkapitänsanwärter", hatte aber doch Bedenken, denn über die Sterne hüllte er sich allen gegenüber in Schwiegen

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