Sonntag, 7. Juni 2015

MEIN GLÜCK: KEIN KRIEGSDIENST

Doch dann war leider Schluss damit. Wir nahmen Kurs auf Kiel. Ziel war die Tirpitzmole auf der Marinebasis. Dort lagen die "Gorch Fock", das Ausbildungssegelschiff der Marine, und die "Ubena", als Wohnschiff für die Kadetten. Sie mussten jetzt ohne Fahrt und Seegang in die Masten. Ich sah mit Schaudern hoch. Mir wurde schon von unten ganz blümerant. Dort würde ich auch irgend wann mal hoch müssen.
Ich besuchte meinen Vater, der inzwischen bei der 7. U - Bootflottille gelandet war.
Was mit den Unitasbooten geschehen sollte, ging wieder erst mal nur als Gerücht um. Sie sollten für die U - Bootjagd umgerüstet werden. Nicht viel Unterschied, früher Wale jagen, jetzt U - Boote. Ein erster Marinesoldat zog in eine der, von den Lotsen geräumten, Kammern. Es war, ich bin mir nicht ganz sicher, ein Stabsobergefreiter, ein Reservist älteren Kalibers, der schon am Orlog 1914 - 1918 teilnehmen durfte. Er war ein so genannter Signalgast. Er beherrschte das Flaggenalphabet zur Kommunikation mit anderen
Schiffen. Es hiess, wenn ein Obergefreiter nicht weiter befördert werden konnte, verpasste man ihm noch einen Stern und er wurde "Stabs", Obermatrose.
Der arme Kerl wurde mit Fragen über die Marine gelöchert. Von unserer Besatzung hatte keiner eine militärische Ausbildung. Aber jetzt kam der Befehl: "Antreten zur Einkleidung!" Der Kapitän, der Chief, Theo Naloch und der Koch waren zu alt, um eingezogen zu werden. Ich war zu jung. Zu der Zeit nahm man noch Rücksicht auf das Alter.
An Paul, unserem Koch, hatten wir noch etwas gut zu machen. Ihn hatte ein unschönes Ereignis schwer in seiner Kochsehre getroffen.
In der Fischerei waren Pinseln und Farbe waschen Zeitverschwendung. Man war rund um die Uhr im Einsatz. Dem entsprechend sahen die Kombüsenwände aus. So auch bei uns. Für Paul wars die Hauptsache, dass Pötte und Pannen sauber waren. Unsere bösen Buben verzierten einen Kohlkopf und einer verfasste ein Gedicht:
        Ein Kohlkopf, von Staub ganz braun,
        wurde eines Nachts zum Clown.
        Künstlerhände,
        bemalten Kombüsenwände.
Paul war schwer beleidigt gewesen. Wir wollten uns zum Abschied entschuldigen. Bertie wusste Rat:
 "Paul bekommt auch einen Orden." Wieder musste eine Blechdose herhalten. Der Orden wurde schön bemalt, und mit einem Hakenkreuz versehen. Mit einer Flasche Schnaps als Beigabe, erfolgte die feierliche Übergabe. Paul war gerührt, ob vom Orden oder vom Schnaps, war egal. "Das bleibt in meiner Errinnerung, aber das Hakenkreuz ist verkehrt herum." Bertie, als alter Kommunist, kannte wohl nicht viel von Hakenkreuzen.  Doch auch hier wusste er Rat. "Stell´ dich vor den Spiegel, dann stimmt´s.

Die Neugier, was käme, war groß. Der Signalgast wusste auch nicht mehr. U - Boote hatte er auch noch nicht erlebt. An der Mole, in ganz Kiel wimmelte es von "Marine". Unseren wilden, verlotterten Haufen dazwischen, auf dem Weg zur Einkleidung, zu sehen, war göttlich. Schwer bepackt, mit Seesack, kamen sie zurück. Alles gab es in doppelter Auführung. Strümpfe, Unterwäsche, es fehlte nichts. Stahlhelm und Gasmaske baumelten am Seesack. Ein "Kulani", der Rock eines echten "Seelords", war das Prunkstück. "Kulani" war der Name eines alten Kieler Schneiders, der den Mantel für die kaiserliche Marine entworfen hatte. Der Reichtum an Klamotten war für unsere Fischersleute neu. Man denke nur an die Gemeinschaftshose von Hein und Willy. Blau - weiss karierte Bettwäsche für alle, sollte den Kojen militärische Einheit verpassen.
Ein Landgang wurde geplant, fein heraus geputzt. Wie würde die holde Kieler Weiblichkeit staunen! Der Reservist stellte seine Kenntnisse von einer ordnungsgemässen Marineuniform in den Dienst der guten Sache. Wo wird der Stern, wo dies, wo jenes, angenäht? Rechter Ärmel? Linker Ärmel? Der Adler, dieses oft gerupfte Vieh, saß schon an richtiger Stelle. Spannend war das Binden des Knotens. Er war komplizierter, als ein Netzsteertknoten. "Mit Gott" auf dem Koppelschloss, löste gemischte Gefühle aus. Bertie,  empfand das, als abartig. "Wenn das der Führer wüsste!"
Fred Wagner, unser "Intellektueller", stand in seiner neuen Montur an Deck, am Niedergang. Oben auf der Pier ging ein Offizier vorbei. Fred glaubte, grüssen zu müssen. Der Offizier schüttelte verständnislos den Kopf. Fred sauste mit rotem Kopf den Niedergang runter. Der Reservist, selbst ernannter Ausbilder für unseren wilden Haufen, klärte ihn auf :"Ohne Mütze grüsst man nicht mit der Hand am Kopf."
Bertie, der Uraltkommunist aus Barmbeck meinte :"Ich bin ja so stolz auf meine Uniform, und darauf, meinem Führer dienen zu dürfen. Allgemeine Feststellung :"Schön ist das Soldatenleben. Wir machen Landgang!"
Die lange Tirpitzmole und das belebte Kasernengelände wurden zum Grussproblem. Anscheinend mussten nicht nur die mit den "Kolbenringen" am Arm, sondern auch einige untere Dienstgrade gegrüsst werden. Wenn es unterblieb, gab es einen Anpfiff. Das hätten sich die Fischdampferleute früher nicht gefallen lassen. Uniform diszipliniert. Um nicht zu sehr aufzufallen, grüssten unsere "Neumariner" alles, was Blau trug, was bei den falsch zu Ehre Gekommenen, Verblüffung auslöste. Am Ausgang fiel dem Wachhabenden beim Anblick der Truppe die Kinnlade herunter. So etwas war ihm noch nicht begegnet. Es war nichts Weltbewegendes, es fehlten nur die "kriegswichtigen" Spanndrähte in den Mützen. "Zurück, marsch, marsch!"
Befehle in dieser Form waren unsere Fischersleute nicht gewohnt. Aber es nützte nichte, zurück an Bord. Wo waren nur die verflixten Drähte geblieben? Bertie wusste Rat. Schweissdrähte eigneten sich als Ersatz. Sie hatten sogar eine noch höhere Spannkraft. Anderntags erfuhr ich, dass auch der zweite Anlauf gescheitert war. Es fehlten die Urlaubsscheine. Keiner an Bord fühlte sich ermächtigt, diese auszustellen.

Ich schlief bis zu meiner Abmusterung bei meinen Eltern. Vater war auch jeden Tag da. Er sprach nicht viel über seine Arbeit. "Psst, Feind hört mit." Das holte er später nach. Er erzählte dann oft von seinen Erlebnissen mit U-Bootkommandant Prien. Er war mit ihm zusammen in Saint - Nazaire gewesen. Zum Beispiel die Geschichte, als die Meldung kam, dass ein U-Boot in der Bucht von Scapa Flow das Schlachtschiff "Royal Oak" versenkt hatte. Da meinte Vater in der Messe :"Das war Prien." Diese Äusserung genügte, um zum Rapport zu müssen. "Woher wissen sie das?"
"Ganz einfach, ich sah Prien beim Studium der entsprechenden Karten." Es ging gut aus, es war keine Spionage und wohl kein Geheimnisbruch.

Meine Zeit in Kiel war schnell zu Ende, und ich landete wieder am Ausgangspunkt meiner Seefahrtzeit, in Bremerhaven.
Von keinem der Boote, von keinem Besatzungsmitglied habe ich je wieder etwas gehört.
"Unitas II.", Ade!

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