Mittwoch, 8. Mai 2013

Das erste Jahr

Norwegen 


Es gab noch mehr Chemie.
Farben: Zinkweiß, Bleiweiß, Halbundhalb. Ebenso Mennige rot, es gab auch Weißlack, als feinste Verwendung für das Promenadendeck. Alles Chemie über die ein Seemann Bescheid wissen muss.
Fast alle Ingredienzen sind aus gesundheitlichen Gründen heute verboten.

Auf einer der ersten Reisen wurde es auf dem Schiff in der Nordsee gespenstisch still. Ein treibendes Schiff, Maschinen stopp, alle gewohnten Geräusche fehlten. Unheimlich. Die Passagiere fragten, dann sollten Durchsagen beruhigen. Was war los? Keiner wusste was.
Es war, spätere Erkenntnis, ein erster politischer Schuss vor den Bug. Der Kapitän hatte in dieser Situation das versiegelte Nottelegramm einzusehen. Es ging noch einmal gut. Das Leben kehrte ins Schiff zurück, alles atmete auf.

In Norwegen gingen die Reisen durch die schöne Welt der Fjorde. Die Ausflüge in Bergen, die Stadt mit der große Hanse-Vergangenheit, wurden leider bald eingestellt. Bedauerlich, denn die Tyske-Briggen aus der Hansezeit, mit den alten Lagerhäusern sind ein Schmuckstück.
Kaiser Wilhelm, der Norwegen-Freund, hatte die Bauten schon einmal renovieren lassen.
Der wahre Grund, der eingestellten Ausflüge war nie so richtig in Erfahrung zu bringen. Es war wohl die Devisenknappheit des deutschen Reiches. Monatlich war der Gegenwert auf RM 10.- für Auslandsaufenthalte limitiert. Bei monatlich 4 Fahrten mit je 1000 Passagieren und mit Besatzung, war der staatliche Etat wohl überfordert.
Sportsegler halfen sich mit dem Verkauf von Tauwerk, Segeltuch und Schnaps, die Devisenknappheit zu überwinden. Das war jedoch streng verboten.

Ich hatte es geschafft als Moses auf einem alten Spanienfahrer die Weltmeere auf schwankenden Planken im Dienste des Dritten Reiches zu durchkreuzen.
Das Weltmeer bestand vorerst aus der Nordsee und etwas nördliches Eismeer.

Ein Moses beginnt mit Schrubben von Pötten und Pannen, was irgendwann hinauf ins oberste Heiligtum der Brücke führen soll. Die Brücke heißt auch Ruderhaus obwohl hier nicht gerudert wird.
Hier entsteht die Leistung ein Schiff zufahren, zu steuern, zu navigieren. Navigation heißt auf dem rechen Weg, auf dem richtigen Kurs zu bleiben. Dazu bedarf es Instrumente, Seekarte und Sextant zum Messen des Sternen- und Sonnenstandes.
Das alles war noch in weiter Ferne von meinem damaligen Wissensstand. Der Kompass war das wichtigste von allem. Das musste gelernt werden. Norden, Norden zum Osten, Osten zum Norden usw. Einmal rum um den Kompass mit seiner Einteilung von 360 Graden. Eine Erfindung der Babylonier. Alle Versuche aus diesem Hexasystem auszubrechen und zum Dezimalsystem zu kommen, sind bis heute gescheitert.

Der Moses gehört zur Deckselite, zu den Decksbauern. Die vornehmste Aufgabe den Matrosen, der Backschaft, die Atzung nahe zu bringen: Das heißt das Essen zu servieren. Ebenso ist der Moses für die Reinlichkeit, aber auch für's Bier holen zuständig. Backschaft-in der Seemannssprache Tischgemeinschaft.

Beim ersten Auslaufen Bremerhaven-Norwegen war nach wenigen Meilen Weser abwärts, beim Wremer Loch das erste Neptun Opfer fällig. Ich wurde Seekrank, obwohl es noch gar nicht schaukelte. Es war das ungewohnte Essen, Huhn mit Curryreis, das rauf nicht so gut wie runter schmeckte. Später genügte der Geruch dieser eigentlich köstlichen Speise, um erneut das Rühren im Magen auszulösen.

Wenn das Wetter ganz böse wurde, die Passagiere nur noch beteten, und auch der letzte der Passagiere in der Koje oder auch an der frischen Luft aus Therapiegründen an Deck im Deckstuhl lag, und grüngesichtig dahin dämmerte, hatten die Kotztüten Hochkonjunktur.
Was steht in der Bibel? Du sollst nicht ehe brechen, bevor der Eimer da steht.


Aus dem Archiv

Vor einiger Zeit hatte ich den Beginn eines Referates eingestellt, mit dem Hinweis "Fortsetzung folgt". 
Da es doch schon etwas her ist, nachfolgend das gesamte Referat.














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