Sonntag, 3. Januar 2016

WAS WIRD MIT MIR GESCHEHEN ?

Unsere Deutschlandreise war kostenlos und einigermaßen komfortabel, mit Platzkarten und Einzelabteilen. Andere "reisten" zu der Zeit in Viehwaggons. Wir waren ca. ein Dutzend Mann. Die Fenster waren verklebt, wir hatten keine Kenntnis, wohin die Reise ging. Wie immer, war mein Zielort mal wieder geheim. Ich wusste auch nicht, wie das Urteil gelautet hatte. Der Galgen konnte es nicht sein, Den hätte es auch vor Ort in Danzig gegeben.

Unser erster Halt war Berlin. Wir wurden an langer Kette ausgeladen. Es war wohltuend, mal wieder auf einen freundlichen Polizisten zu treffen. Wir warteten lange auf dem Polizeirevier. Als ich trotz geringer Nahrungsaufnahme ein menschliches Bedürfnis verspürte, durfte ich aufs Beamtenklo. Es war angenehm sauber, nach all der Kübelbenutzung. Auf dem Gang hatte ich Gelegenheit, mir ein Butterbrotpaket irgend eines Beamten anzueignen. Ich hatte kein schlechtes Gewissen mehr. Auf der Toilette würgte ich das Brot in Windeseile in mich hinein. Die Nacht verbrachten wir in einem Saal mit ca. hundert Leuten. Es gab dreistöckige Holzbetten ohne Matrazen und Decken.

Die nächste Station war Leipzig. Hier waren Entlausung und Duschen dran. Später einmal, sah ich, dass die Duschen genau so aussahen, wie die in den Konzentrationslagern. Ich hatte Glück gehabt. Es kam nur Wasser raus. Die Kleidung kam zur Desinfektion in einen Dampfdruckkessel. Leider gab ich auch meine eleganten italienischen Schuhe mit hinein. Sie vertrugen die feuchte Hitze nicht. Ich reiste von da an meinem Ziel auf Socken entgegen.

Dann ging es nach Hof. Dort erhielt jeder ein Viertel eines mir unbekannten kleinen Brotes. Danke!

Der nächste Tag, es war der 7. Juli 1943, ein sonniger Sonntag, sah uns aneinander gekettetes Dutzend auf dem Darmstädter Bahnhof. Wir, alle zur Winterzeit verhaftet, in dicken Klamotten, ungepflegt, ich ohne Schuhe, erregten Aufmerksamkeit. Aus einer Gruppe elaganter Damen hörten wir :"Sieh´ mal, da laden sie Russen aus. Die sehen ja gar nicht so schrecklich aus." Die Frau hatte wohl das Bild der Russen aus den Propagandafilmen der "Wochenschau" vor Augen.



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